17 | Shakespeare

17 | Shakespeare

  • 14. April 2020
  • |
  • Text: Andreas Erdmann

Für einen Stadttheaterdramaturgen habe ich nun in untypischem Ausmaß der Werktreue das Wort geredet. Dass Theaterprofis gegen diese häufig grundsätzliche, theoretisch unumgängliche Vorbehalte hegen, habe ich hinlänglich erklärt, dass das Theaterpublikum die Vorbehalte nicht im gleichen Maße teilt, ebenfalls.

Die Theaterpraktiker*innen erklären, dass der Stücktext nicht die fertige Aufführung enthält und deshalb, auf dem Weg zur Bühne, in vielfacher Hinsicht gedeutet werden muss. Viele Zuschauer*innen (und Theaterverlage) sind der Meinung, dass die Stückautor*innen sich wahrscheinlich doch die eine oder andere Vorstellung von den Aufführungen, die ihrem Werk folgen sollen, gemacht haben und dass die Regisseur*innen, wenn sie nur wollten, diese aus den Stücktexten herauslesen könnten. Und in der Theorie besteht hier noch kein Widerspruch. Praktisch setzt an diesem Punkt die Verhandlung darüber an, wessen Wille bei der Umsetzung des Stücktextes in eine Theateraufführung welche Rolle spielen soll: Hat die Regisseur*in das letzte Wort und wird damit zur quasi gleichberechtigten Koautor*in der Dramatiker*in? Oder erhält die Regisseur*in ihre Legitimation und Deutungsmacht in letzter Instanz aus dem Willen der Autor*in, dessen Rekonstruktion darum ihre vorrangige Pflicht ist?

Die Fragestellung enthält einige Vereinfachungen. So sprachen wir bereits von der multiplen Urheberschaft, die jeder Theateraufführung zugrundeliegt. Die Regisseur*in ist nicht die einzige Koautor*in der Dramatiker*in, sie wird jedoch (in einer vom männlichen Geniebegriff geprägten Welt) gern stellvertretend für die Urheberschaft aller anderen an der Aufführung Beteiligten genannt. Eine andere Vereinfachung bezieht sich auf die Rekonstruktion des „Autor*innenwillens“. Dabei fällt auf, dass Regisseur*innen, die den größten Aufwand treiben, die Ideen von verstorbenen Dramatiker*innen zu rekonstruieren, oft denselben Aufwand treiben, die Dramatiker*innen, sollten sie noch nicht verstorben sein, von Proben ihrer eigenen Stücke fernzuhalten. Kurz gesagt: Ist mit dem „Autorenwillen“ die individuelle Absicht und Vision jener Person gemeint, die das Stück geschrieben hat, oder ist der Wille der Autor*in eine theoretische Größe, die anhand des Stücktexts konstruiert wird, welche der Autor*in selbst aber nicht unbedingt bewusst oder bekannt sein muss?

In der letzten Folge unseres Blogs behauptete ich, dass das Pendel der Aufführungspraxis unserer Klassiker seit der Jahrtausendwende stark zurückschwingt vom „Regiewillen“ in Richtung „Autorenwille“. Und selbst wenn der Autorenwille rätselhaft und noch dazu auch in der Theorie diffus bleibt, haben die Beobachter*innen doch eine Reihe von Indizien ausgemacht, an denen sich erkennen lässt, wann der Wille der Autor*in angeblich NICHT im Vordergrund steht: So bei der Missachtung von Szenenanweisungen Ort und Zeit der Stückhandlung betreffend. Klassiker, die von den Stückeschreibern im Dekor einer bestimmten Epoche angesiedelt wurden, werden (beispielsweise) in die Gegenwart verlegt. Prompt beschweren sich, typischerweise, die Vertreter*innen des Autorenwillens. Die Theaterpraktiker*innen wiederum würden nun, typischerweise, nicht etwa dagegenhalten, dass sich hier einmal die Koautor*innen aus der Produktion gegen den Willen des Textautoren durchgesetzt hätten, sondern würden (in den meisten Fällen) sagen, die kritisierte Regie-Entscheidung entspreche dem Autorenwillen in Wahrheit eher, als wenn man versucht hätte, die tote Konvention einer anderen Theaterepoche zu bedienen und das Stück textgetreu in der Zeit des (sagen wir mal) dritten Kreuzzugs im Hochmittelalter anzusiedeln. Dies Manöver wird natürlich möglich durch die oben schon erwähnte Unschärfe des Begriffes vom „Autorenwillen“. Vor allem aber wird auf diesem Weg die Diskussion Autor contra Regie geschickt umgangen, indem die Nichtbeachtung des Autorenwillens zur Achtung des Autorenwillens umdefiniert wird. Darüber lässt sich trefflich und ad infinitum streiten, ohne eine weitere Befragung des fragilen Gleichgewichts zwischen Regie und Text fürchten zu müssen. Als gelegentlicher Kunstgriff wäre das vielleicht verzeihlich, problematisch wird die Diskussionsvermeidung, wenn auf diesem Weg der Dialog zwischen Publikum und Produzent*innen, aber auch zwischen Theatern und Autor*innen nachhaltig beschnitten wird.

Auch aus diesem Grund – um den Dialog zwischen den Parteien etwas anzukurbeln – lasse ich die Differenzierungen und Unschärfen medientheoretischer Begriffe nun mal auf der Seite und gehe davon aus, jede Zuschauer*in sei selber kompetent und in der Lage festzustellen, wann die Theatermacher*innen eine Aufführung „im Sinne der Autor*in“ abgeliefert haben und wann nicht.

In einem Dialog mit ihrem Publikum, der innerhalb einer solchen Setzung stattfände, müssten die Theatermacher*innen vermutlich manchmal hinnehmen, dass sich Zuschauer*innen mehr Texttreue wünschen als ihnen geliefert wird. Womöglich würde allerdings an irgendeinem Punkt sogar zum Vorschein kommen, dass die Theaterleute hin und wieder Gründe haben, ihren eigenen Instinkten und Visionen einen Vorrang gegenüber denen einzuräumen, die sie bei der Analyse der Originaltexte als Absicht der Autor*in identifiziert haben, und dass diese Gründe über Desinteresse, Eitelkeit und Zeitgeistdenken hinausgehen können. (Und darum ist dieses Kapitel mit dem Namen unseres Überklassikers „Shakespeare“ überschrieben.)

Weiterhin ein kleines bisschen vereinfachend würde ich behaupten, dass es – alte Dramaturg*innenweisheit – Klassiker gibt, die Texttreue „belohnen“: Beispielsweise gibt es eine Reihe bürgerlicher Trauerspiele, in denen der Ehrbegriff des 18. Jahrhunderts eine dramaturgisch wichtige Funktion hat. Also immer dann, wenn junge Männer entweder sich selbst oder einander oder die Geliebte, oder Väter ihre Töchter oder Töchter sich selbst umbringen, „um die Ehre zu bewahren“. Selbst in Zeiten, in denen der Ehrenmord in Mitteleuropa wieder in Erscheinung tritt (grotesk genug), kommt eine Stadttheaterregisseur*in mit der Figurenpsychologie in Schwierigkeiten, wenn sie so ein Stück in eine Gesellschaft hineinverlegt, der dieses Ehrkonzept nicht mehr viel sagt. Insbesondere dann, wenn diese Ehre auch noch darauf beruht, dass ein offensichtliches Missverständnis der Beteiligten durch bloßes Drüber-Reden aus der Welt hätte geschafft werden können. Dann spricht die Stadttheaterdramaturg*in manches Mal zur Stadttheaterregisseur*in: „Lass es einfach. Spielt im 18. Jahrhundert, gut so.“ Eine andere Faustregel besagt, dass „fragile“ Texte von Theatermacher*innen mehr Gehorsam fordern als „robuste“. Aber heißt das umgekehrt auch, dass „robuste“ Texte mehr Widersetzlichkeit von den Theatermacher*innen fordern?

Wir haben schon umrissen, dass es Kennzeichen der „Werktreue“ bzw. Kennzeichen der „Werkungetreue“ gibt. Selten genug – mir persönlich ist es zweimal widerfahren – sieht man eine Aufführung von Shakespeares „Hamlet“, die – man traut sich kaum es auszusprechen – textgetreu daherkommt. Will sagen: das Stück spielt auf einer mittelalterlichen Burg in Dänemark, die Hauptfiguren tragen wandteppichartige Gewänder und so ähnliche Frisuren. Keiner der Beteiligten verzieht eine Miene, auch wenn das Verfahren spätestens im fünften Akt an seine Grenzen stößt, da ein mittelalterlicher Hamlet und sein mittelalterlicher Widersacher ein Gefecht nach den Duellregeln der Hochrenaissance austragen mit Waffen, die im mittelalterlichen Dänemark so viel zu suchen hatten wie eine vollautomatische Espressomaschine auf dem Bauernhof meines Urgoßvaters. (Aber wollen wir nicht mäkeln, Shakespeare war das offenbar egal.) Was beide Aufführungen signalisieren wollten, war, dass es sich hier um demütige, möglichst werkgetreue Annäherungen an Shakespeares Originaltext handelt, ohne Frechheiten und Eigenmächtigkeiten der Regie. Und in beiden Fällen war der Eindruck, den sie hinterließen, zutiefst widersprüchlich: einerseits wirkte das Verfahren verzagt, bescheiden bis zur Selbstverleugnung, andererseits größenwahnsinnig. Warum größenwahnsinnig? Die textgetreue Attitüde schien zu sagen: Das hier ist der ganze Shakespeare, was ihr hier nicht seht, das steht auch nicht im Text. Das ist naturgemäß die Harke, die jeder texttreu tuenden Inszenierungsarbeit innewohnt: Wer hinter der Autor*in in Deckung gehen will, muss zusehen, dass er liefert; also alles, was der Text auch an nicht-expliziten Inhalten enthält, das, was „zwischen den Zeilen steht“. Es reicht nicht, einfach alle Worte vollständig zu deklamieren, auch ihr Geist muss mit herüberkommen. Das gilt jedoch für textgetreue Inszenierungen von Aischylos bis Arthur Miller, dafür müsste ich nicht Shakespeare und das Stück der Stücke bemühen. Allerdings wirkt das Verfahren bei Shakespeares „Hamlet“ ganz besonders merkwürdig. Vermuten wir zurecht bei Lessings „Sara Sampson“ oder Feydeaus „Klotz am Bein“, dass es gar nicht einfach ist, auch die impliziten Inhalte und Forderungen an den Text befriedigend zu inszenieren, so ist dasselbe bei William Shakespeare oft geradezu unmöglich.

Lassen Sie mich heute noch einmal ein Beispiel aus der Welt der Religion verwenden: Jede Katholik*in kennt die liturgische Abfolge von Evangelium und Predigt, die sich häufig so abspielt dass zuerst ein berühmtes Bibelwort gelesen und danach ausgelegt wird. Meist stellt sich dabei heraus, dass das Bibelwort ohne Zusammenhang gar nicht verständlich ist, und dass es – in einen Zusammenhang gebracht – etwas ganz anderes sagt als das, wonach es sich beim ersten Anhören angehört hat. Und jetzt kommt der Clou: Kaum dass ein Jahr vergangen ist und dasselbe Bibelwort am selben Ort wieder gelesen wird, kommt ein anderer Priester, stellt das Wort erneut in einen Zusammenhang und nun soll es auf einmal weder das bedeuten, wonach es in den Ohren des Laien ursprünglich geklungen, noch das, was der Kollege letztes Jahr behauptet hat, sondern etwas Drittes. Die Erklärung ist allerdings nicht so schwer: Das Evangelium ist eben das Evangelium. Weil wir es seit hunderten von Jahren immer wieder lesen, hat es einen riesigen Gehalt von Deutungen und Inhalten gewissermaßen aufgesogen. Keine seriöse Theolog*in würde sagen, dass es möglich ist, die ursprüngliche Absicht der Autoren aus dem Berg von Deutungen zweifelsfrei herauszulesen. Das entspräche auch der religiösen Praxis nicht. Vielmehr haben Jahrhunderte von Predigern und Leser*innen den Text mitgeschrieben (siehe wiederum: multiple Autor*innenschaft). Wichtig dabei ist, dass es Stellen gibt, die nicht nur unterschiedliche Bedeutungen transportieren, sondern widersprüchliche. Was soviel heißt wie: man kann sie entweder so oder so lesen, die Leser*in kann sich allerdings nicht für alle Lesarten zugleich entscheiden, da diese einander widersprechen. Man könnte dann behaupten, eine „textgetreue“ Interpretation des Evangeliums – wenn es denn um mehr als um die wissenschaftliche Analyse gehen soll – ist hier nicht möglich. Und ebenso verhält es sich mit Shakespeare.

Shakespeare ist das Evangelium des europäischen Theaters, insbesondere des deutschsprachigen. Wir lesen seine Stücke seit Jahrhunderten wieder und wieder, über ihn selbst und seine Absichten wissen wir relativ wenig, seine Texte aber transportieren für uns Welten von Bedeutungen und Inhalten. Und vor allem: die Bedeutungen und Deutungen sind häufig widersprüchlich, einen Satz und eine Szene „Hamlets“ kann man daher auf eine „mögliche“ Weise spielen und interpretieren, auf keinen Fall jedoch wird es einer Schauspieler*in oder Regisseur*in gelingen, in einer Inszenierung alle oder auch nur einen großen Teil aller kanonischen Deutungen dieses einen Satzes oder dieser einen Szene abzubilden. Sie müssen sich also entscheiden. Shakespeare nimmt ihnen diese Entscheidung nicht ab. Ein wunderbarer Schauspieler, der leider verstorben ist, sagte einmal zu mir: „Wir können Shakespeare gar nicht lesen. Shakespeare liest in uns.“ Mit der oben stehenden Ausführung habe ich versucht, mir diesen Ausspruch zu erklären.

Shakespeare zeigt uns, dass wir ihm mit Werktreue nicht besonders nahe kommen, wir können uns nur selber näher kommen, wenn wir uns in Shakespeares Hände geben. Das muss nicht immer zu befriedigenden oder zu erbaulichen Ergebnissen führen. Unsere Welt ist leider aber auch nicht immer befriedigend oder erbaulich. Und Shakespeare ist – am Ende – dann doch nicht das Evangelium.

Damit mag einiges zum Thema Werktreue gesagt sein, weniges zu Shakespeare. Sie mögen mir verzeihen, dass ich seinen Namen etwas großkotzig als Überschrift zu dieser Episode benutzt habe.

Weitere Themen

Schauspiel 51 | Das gute alte Landestheater
  • 14. Juli 2023

51 | Das gute alte Landestheater

Theater rettet nicht die Welt und manchmal ist es auch noch langweilig. Darum sagen manche Kritiker, es soll sich lieber darauf konzentrieren, gute Unterhaltung anzubieten und sich selbst zu retten. Alles deutschsprachige Stadt- und Staatstheater wandelt jedoch in den Spuren von Lessings, Goethes, Schillers Traum von einem „nationalen“ Theater als moralischer Anstalt: als Unterhaltungs-, aber eben auch Erziehungsort der Gesellschaft.

Schauspiel 50 | Das Prinzip des Eigennutzes
  • 12. Juli 2023

50 | Das Prinzip des Eigennutzes

Der Endspurt der Saison 2022/23 war, wie es sich gehört, ein intensiver. Darum gerieten wir mit unserem Dramaturgie-Blog ein wenig ins Hintertreffen. Um aber nicht völlig unverabschiedet in die Ferien zu entweichen, sollen diese Woche noch zwei abschließende Beiträge erscheinen.

Schauspiel 49 | The Big Picture
  • 23. Juni 2023

49 | The Big Picture

Der Filmregisseur Billy Wilder, der ursprünglich Drehbuchautor war, sagte einmal, er erwarte nicht von Regisseuren, dass sie selbst Drehbücher verfassen können. Es würde ihm schon reichen, wenn sie in der Lage wären, Drehbücher zu lesen.

Schauspiel 48 | Das Nichtverstehen des Berufs
  • 13. Juni 2023

48 | Das Nichtverstehen des Berufs

In Anbetracht der Welt müssen sich Theatermenschen fragen, welche Aussagen zu dieser sie durch das Theater machen können, welche Aussagen den Aufwand wert sind, der darin besteht, so etwas wie Theater überhaupt zu machen und das eigene Leben in dessen Dienst zu stellen. In Zeiten, als Theater eine Art Unterhaltungsmonopol besaß, stellte sich die Frage nicht in dieser Weise: Damals war Theater in vieler Hinsicht konkurrenzlos. Entsprechend vielfältig mochten die Motive der Beschäftigung damit sein.

Schauspiel 47 | Sehen
  • 2. Juni 2023

47 | Sehen

Es ist zu Beginn der Nullerjahre unseres Jahrhunderts, als ein junger Dramaturg – er trägt den Titel erst seit ein paar Jahren –, in der Premiere einer Inszenierung sitzt, die er als Dramaturg betreuen durfte. Die Vorstellung läuft seit ein paar Minuten, der Dramaturg sitzt in einer der letzten Reihen des Theaters, vor sich das Schauspiel und sein Publikum.

Schauspiel 46 | Warum wollen Eltern nicht, dass ihre Kinder zum Theater gehen?
  • 23. Mai 2023

46 | Warum wollen Eltern nicht, dass ihre Kinder zum Theater gehen?

Kein Mensch weiß, wie Alexander Puschkin starb, aber jedes Schulkind kann dir sagen, wie man eine Komsomolzenträne mixt. Und so ähnlich verhält es sich mit unserem heutigen Thema: Jedes Schulkind weiß, dass Eltern alles tun würden, um ihre Kinder davon abzubringen, zum Theater zu gehen (auch und gerade wenn die Eltern selber beim Theater sind), aber kein Mensch kann einem sagen, worauf diese Vorbehalte gründen.

Schauspiel 45 | Standorte
  • 16. Mai 2023

45 | Standorte

Die meisten echten Flops im Theater resultieren aus dem Versuch, etwas, das mal ein Erfolg war, noch einmal zu machen. Und wieder Erfolg damit zu haben. Die meisten großen Hits basieren allerdings auf demselben Prinzip. Darum heißt es ja auch: „Never change a winning team“. Aber oft genug klappt es eben nicht, die alten Tricks zu rezyklieren und wieder erfolgreich mit ihnen zu sein. Unter den vielen Faktoren, die eine Rolle spielen können, wenn eine bewährte Methode nicht mehr zum erwarteten Ergebnis führt, ist ein nicht zu unterschätzender: der Standortfaktor.

Schauspiel 44 | Spielpläne
  • 5. Mai 2023

44 | Spielpläne

Denken Dramaturg:innen sich Spielpläne aus? Und denken sie sich auch die Spielplanthemen aus bzw. das Motto, das dann oft ein Jahr lang am Theater prangt und „Freiheit!“ oder „Solidarität“ oder „Du bist nicht allein!“ lautet. Und in welcher Beziehung stehen Spielpläne und Mottos?

Schauspiel 43 | Einführungen
  • 2. Mai 2023

43 | Einführungen

Eins der prominentesten Formate, in denen Dramaturg:innen in Erscheinung treten, sind natürlich Einführungen. Zuschauer:innen lieben Einführungen. Oder suchen sie zumindest in hellen Scharen auf. Ob Dramaturg:innen Einführungen lieben oder nicht, sollte man womöglich nicht versuchen wollen so einfach zu beantworten. Der Autor dieser Zeilen arbeitete jahrelang an Bühnen, deren leitende Dramaturg:innen ihre Position benutzten, um keine Einführungen geben zu müssen. Vielleicht folgt daraus aber auch einfach nur, dass leitende Dramaturg:innen nicht lieben Einführungen zu geben. Packen wir den Stier bei den Hörnern und fragen geradezu: Was ist das Problem mit Einführungen?

Schauspiel 42 | Die ewigen Gesetze
  • 21. April 2023

42 | Die ewigen Gesetze

Letzte Woche sprachen wir über die ungeschriebenen Gesetze des Theaters, aber eigentlich über die ungeschriebenen, sehr langsam nur veränderlichen Verkehrsregeln hinter der Bühne, die zwar eine Zeit lang das Zusammenleben in den deutschsprachigen Stadttheatern regulieren konnten, es zum Teil noch heute tun, die aber, wie wir sehen, offenbar gewaltige blinde Flecken aufweisen. Wie zum Beispiel die, aus denen nun seit Kurzem der #metoo-Komplex und alle möglichen anderen Fragen nach Gerechtigkeit, Benachteiligung, Ausbeutung usw. auftauchen.

Schauspiel 41 | Die ungeschriebenen Gesetze
  • 14. April 2023

41 | Die ungeschriebenen Gesetze

Wer die beliebten Mafiaserien Der Pate oder Die Sopranos kennt, dem dürfte die Bedeutung der ungeschriebenen Gesetze innerhalb der darin portraitierten Organisationen aufgefallen sein. In beiden Serien tritt eine Figur im Rang des sogenannten Consigliere auf, deren alleinige Funktion es ist, Berater des Familienoberhaupts zu sein (in der Mafia geht’s ja immer um Familie) und als solcher Interpret und Kenner ebenjener ungeschriebenen Gesetze.

Schauspiel 40 | On the Road
  • 6. April 2023

40 | On the Road

Als der Autor dieser Zeilen ein junger Mensch war und seine Heimatstadt verlassen musste, um im kalten Hamburg zu studieren (es hatte irgendetwas mit Theater zu tun), gab es noch kein Internet und Studentenwohnungen fand man durch Beziehungen, die AStA-Wohnungsvermittlung oder durch Kleinanzeigen in der Zeitung.

Schauspiel 39 | Proben besuchen
  • 3. April 2023

39 | Proben besuchen

Wer von Dramaturg:innen spricht, sieht sie vor seinem inneren Auge gerne in Büros oder Cafés sitzen, Emails schreiben, Stücke lesen, diskutieren. Einen großen Teil ihrer Zeit sitzen Dramaturg:innen jedoch schweigend in der Dunkelheit auf Probenbühnen und beobachten die Vorgänge. Das ist eine besondere Tätigkeit, denn während die meisten anderen Menschen auf der Probe eine äußerlich sichtbare Tätigkeit verfolgen, also spielen, sprechen, zuschauen, unterbrechen, mitschreiben oder auf die Kaffeemaschine aufpassen, machen Dramaturg:innen eigentlich nichts. Sie sehen und hören zu. Aber selbst das sollten sie nicht zu intensiv tun. Dramaturg:innen sind auf den Proben in erster Linie anwesend. Um zu verstehen, was damit gemeint ist, müssen wir uns anschauen, wie die Aufgaben zwischen Regie und Dramaturgie auf den Proben verteilt sind.

Schauspiel 38 | Mit Regisseur:innen arbeiten
  • 24. März 2023

38 | Mit Regisseur:innen arbeiten

Und dann arbeiten Dramaturg:innen natürlich mit den Regisseur:innen zusammen. In der sogenannten Produktionsdramaturgie sind die Regisseur:innen die Hauptansprechpartner:innen der Dramaturg:innen. Beziehungsweise umgekehrt: Die Dramaturg:innen sind die Ansprechpartner:innen der Regisseur:innen – meist aber nicht die Haupt-Ansprechpartner:innen (das sind aus vielen Gründen eher die Bühnen- oder die Kostümbildner:innen). Die Arbeit an der Stück-Produktion teilt sich in drei Phasen: Vorbereitung, Proben, Aufführungen. Die intensivste Zusammenarbeit zwischen Regie und Dramaturgie findet in den ersten beiden Phasen, also in der Vorbereitung und der Probenzeit statt. Da Regisseur:innen im Lauf mehrerer Jahre meistens mehr als eine Inszenierung an einem Theater machen, halten die Dramaturg:innen auch zwischen den einzelnen Projekten mit Ihnen Kontakt und schauen sich andere Inszenierungen dieser Regisseur:innen an anderen Theatern an.

Schauspiel 37 | Besetzungen
  • 17. März 2023

37 | Besetzungen

Besetzungen zu machen gehört zu den heiligsten Geschäften, an denen Dramaturg:innen im Stadttheater teilnehmen. Dramaturg:innen machen ja nur wenige Arbeiten allein – wie ohnehin die meisten Aufgaben am Theater von niemandem allein bewältigt werden – und darum sind sie auch nur Teilnehmer:innen an der Entstehung der Besetzungen. Wer nimmt noch teil? In der Regel die Theaterleitungen, Regieteams und – die Schauspieler:innen. Diese sitzen zwar zumeist nicht mit am Tisch, wenn Besetzungen verhandelt werden (vor allem, weil sie selber stark Partei in Fragen der Besetzung sind), allerdings bewerben sie sich oft im Vorfeld um Rollen oder Mitwirkungen in bestimmten Stücken, was in die Besetzungsarbeit einfließt. Zwei Raster müssen aufeinanderkommen, wenn Besetzungen entstehen: 1) der Ausgleich der Interessen und Bedürfnisse aller Mitwirkenden, 2) die Eigenlogik des Betriebs und der Projekte.

Schauspiel 36 | Fassungen II
  • 10. März 2023

36 | Fassungen II

Fassungen für das Theater werden aus den unterschiedlichsten Vorlagen: Es gibt Fassungen von ganz normalen Stücken, von Romanen und von Filmen. Selbst sogenannte Stückentwicklungen oder freie Projekte, die im Lauf der Proben entstehen, brauchen Fassungen, da müssen dann die Dramaturg:innen und Assistent:innen – und Hospitant:innen – auf den Proben dauernd alles mitschreiben und nachts (von einer Probe auf die andere) ins Reine schreiben. Eine grauenhafte Arbeit übrigens. Gut, dass so was heute nicht mehr möglich ist.

Schauspiel 35 | Fassungen I
  • 2. März 2023

35 | Fassungen I

Im echten Leben kann man sie verlieren oder schraubt sich eine Glühbirne hinein, im Theater (und noch mehr im Dramaturg:innenalltag) ist die Fassung ein alles entscheidendes, zentrales Ding, direkt nach der Besetzung und noch vor dem Programmheft. „Hast du schon die Fassung?“ – „Wann machen wir die Fassung?“

Schauspiel 34 | Interventionismus
  • 23. Februar 2023

34 | Interventionismus

Vergangene Woche war ich leichtsinnig genug zu versprechen, diese Woche eine Liste von Problemen vorzulegen, die in unserem Stadttheatersystem das Eingreifen einer Theaterleitung in den Probenprozess rechtfertigen.

Schauspiel 33 | Nicht Eingreifen
  • 16. Februar 2023

33 | Nicht Eingreifen

Vor einiger Zeit schrieb ein Theaterkritiker, der Autor dieser Zeilen hätte in seiner Funktion als Produktionsdramaturg bei einer Inszenierung „eingreifen müssen“. Hätte der Kritiker geschrieben, der Dramaturg habe seine Arbeit nicht getan, würde mir das zwar auch nicht gefallen, ich könnte aber nichts dagegen sagen. Der Ausdruck „Eingreifen“ hingegen (der sicher anders gemeint war, als ich ihn im Folgenden interpretiere) erinnert allerdings an Vorstellungen, denen Dramaturg:innen immer wieder begegnen – nicht nur bei Journalist:innen, auch bei Vorgesetzten –, dass Dramaturgie nämlich so etwas wie eine Theaterpolizei sei, die auf den Proben rumsitzt, um dann, wenn der Unfug überhandnimmt, einzuschreiten und dem Regisseur „auf die Finger zu klopfen“. Wie eine strenge Klavierlehrerin in den 1970er Jahren.

Schauspiel 32 | Programmhefteschreiben
  • 10. Februar 2023

32 | Programmhefteschreiben

Nahm man vor 30 Jahren das Programmheft einer Stadttheaterinszenierung in die Hand, dann wog dies in der Regel etwas schwerer als ein heutiges Programmheft, war weniger bunt und ein großer Teil der darin enthaltenen Texte stammte von französischen Philosophen (männlich), die der Schule des Poststrukturalismus zugerechnet werden konnten. Also Namen wie Baudrillard, Deleuze, Derrida und Žižek. Irgendwo fand sich mit großer Wahrscheinlichkeit ein gedichtartig gesetztes Zitat aus dem Buch Fragmente einer Sprache der Liebe von Roland Barthes. Wir reden hier übrigens nicht von den Programmheften einer bestimmten Art oder eines bestimmten Genres von Sprechtheater, sondern von Programmheften deutschsprachigen Sprechtheaters im Allgemeinen.

Schauspiel 31 | Stückelesen
  • 2. Februar 2023

31 | Stückelesen

Nachdem wir in den ersten Jahren dieses Blogs die großen Themen der Dramaturgie gewälzt haben, wollen wir jetzt mal eine Weile etwas kleinere Brötchen backen und auf unsere Eingangsfrage zurückkommen, nämlich: Was machen eigentlich Dramaturg:innen? Dramaturg:innen machen nämlich viele inhaltlich zwar irgendwie zusammenhängende, im praktischen Vollzug aber sehr wohl zu unterscheidende Dinge. Die wollen wir nun Kapitel für Kapitel durchgehen.

Schauspiel 30 | Zuviel Toxik?
  • 27. Januar 2023

30 | Zuviel Toxik?

Vor einigen Jahren arbeitete ich an einem anderen Theater, als ich den Brief einer Zuschauerin zur Beantwortung bekam. (Das ist übrigens eine besonders schöne Aufgabe der Dramaturg:innen – Zuschriften beantworten. Dabei ist, was in den Zuschriften zu lesen ist, manchmal durchaus interessant. Manchmal allerdings auch nicht.) Der Brief, der mir damals auf den Schreibtisch flatterte, war allerdings sehr interessant, auch wenn mir das nicht unmittelbar klar war.

Schauspiel 29 | Soll ein Film nicht mehr gezeigt werden, weil einer seiner Schauspieler straffällig geworden ist?
  • 23. Januar 2023

29 | Soll ein Film nicht mehr gezeigt werden, weil einer seiner Schauspieler straffällig geworden ist?

Österreich und seine Kulturszene werden vom Skandal um einen Schauspieler erschüttert, der uns nicht allein mit den Verfehlungen dieses Einzelnen konfrontiert, sondern der den Vorhang über einer kriminellen Szene wegreißt, die Kinder missbraucht und sie für ihr Leben schädigt. Niemand kann gegen die Vorwürfe, die hier erhoben werden, kalt bleiben. Die große, nicht nur mediale Erschütterung deutet allerdings auch darauf hin, dass wir es normalerweise schaffen, die Problematik, welche keine Unbekannte ist, zu verdrängen, wenn uns nicht ein prominenter Fall wie der genannte daran hindert.

Schauspiel 28 | Diskurs und Quote
  • 12. Januar 2023

28 | Diskurs und Quote

Evolution unseres Theaters lautete die Forderung in der letzten Woche. Und Evolution ist nicht genau dasselbe wie Revolution, sie ist eher: Revolution, aber langsam. So langsam, dass sie niemandem wehtun muss. Und Evolution, klar, wollen sowieso alle. Es kann ja nichts so bleiben, wie es ist. Bleibt nurmehr die Frage: Evolution wohin? Und auch da könnte man meinen, solange ein Projekt der Aufklärung bestand, hätte es im Stadttheatersystem einen breiten Konsens gegeben, dass 1.) das Theater Teil dieses Projekts sein müsse und dass 2.) der Ruf nach „Aufklärung“ notwendig mit gewissen Grundbekenntnissen einhergeht, nämlich denen zu einer gerechteren, humaneren, an einem freien Diskurs interessierten Gesellschaft.

Schauspiel 27 | Frauen
  • 5. Januar 2023

27 | Frauen

„Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist“, steht in einem Roman, dessen Titel mir gerade entfallen ist. Und eigentlich sollte man denken, dass Fragen hinsichtlich von Macht, Repräsentanz und Fairness, über die sich dieser Blog in Bezug auf das Theater in den letzten Wochen beugte, in einer demokratischen Gesellschaft immer aktuell sind. Dasselbe müsste auch für Fragen nach Geschlechtergerechtigkeit und Präsenz von Frauen gelten. Tatsächlich haben Arbeitsgruppen seit den Nuller-Jahren unseres Jahrhunderts intensiv daran gearbeitet, diese Themen ins Bewusstsein der Gesellschaft (und der Theaterleute) zu heben. Diese Ideen wurden demnach mächtig, weil ihre Zeit gekommen war. Aber warum ist das eigentlich gerade jetzt?

Schauspiel 26 | Überschreibungen
  • 29. Dezember 2022

26 | Überschreibungen

Überschreibung ist das neue Reizwort, das einige Theaterfreunde heute auf die Palme bringt wie zuletzt das Wort Romanbearbeitung und zuvor Regietheater. Eine Überschreibung findet statt, wenn ein:e Autor:in ein älteres (meist klassisches) Stück nimmt, liest und dann beginnt, etwas Neues zu schreiben, das von der Lektüre des anderen Texts spürbar beeinflusst ist. Dabei kann ein Stück entstehen, das die Klassikerhandlung behutsam in die Gegenwart und dort in ein neues aber ähnliches Milieu wie das verlegt, in dem der Klassiker spielt (so in Ewald Palmetshofers Vor Sonnenaufgang, Maja Zades ödipus).

Schauspiel 25 | Die Kraft der Narrative
  • 22. Dezember 2022

25 | Die Kraft der Narrative

Wir waren bei zwei Paradebeispielen kontaminierter Klassiker, bei William Shakespeares Stücken Der Kaufmann von Venedig und Othello. Beide führen uns ethnische und religiöse Außenseiter einer christlich abendländischen Gesellschaft vor, im ersten Fall den mord- und geldgierigen Juden Shylock und im zweiten Fall den Afrikaner Othello, der zum Frauenmörder wird, weil er vor Eifersucht zu denken aufhört.

Schauspiel 24 | Kontaminierte Klassiker
  • 15. Dezember 2022

24 | Kontaminierte Klassiker

Da wir schon einmal bei aktuellen Schocker-Themen sind, kommt heute gleich das nächste: Böse Klassiker. In den vergangenen Jahrzehnten galt am deutschsprachigen Stadttheater die Faustregel, dass zwar die deutschen Nationalklassiker manchmal irren (also Schiller immer dann, wenn er sexistisch, nationalistisch oder antisemitisch ist), dass aber eine Bastion existiert, die in ihrer Undurchschaubarkeit und Tiefe immer Recht behalten muss, quasi der Urmeter des europäischen Theaters: William Shakespeare. Las man Shakespeares Stücke lang und aufmerksam genug, musste man zu dem Schluss kommen, dass Shakespeare bereits alles wusste und wir Heutigen es im Zweifelsfall weniger gut wissen.

Schauspiel 23 | Die guten alten schlechten Angewohnheiten
  • 8. Dezember 2022

23 | Die guten alten schlechten Angewohnheiten

Nun haben wir in drei Teilen das Thema Theater und Macht in handlichen Paketen abgefrühstückt. Aus der Innenperspektive ist die selbstkritische Revision, die die deutschsprachigen Bühnen gerade durchmachen, allerdings ein Riesenthema, das auch noch an viele andere Gebiete – Gendergerechtigkeit, politische Korrektheit, kontaminierte Klassiker usw. – angrenzt. Die Theater werden damit also so bald nicht fertig sein. Einige der erwähnten angrenzenden Themen sollten wir uns in den nächsten Wochen auch noch anschauen.

Schauspiel 22 | Die Macht im Theater
  • 1. Dezember 2022

22 | Die Macht im Theater

Im letzten Teil haben wir gesehen, dass das Theater auf die eine oder andere Art immer schon vom Staat abhängig war (und wo kein Staat war, waren Fürsten) – beziehungsweise abhängig gehalten wurde. (In einer Gesellschaft mit bedingungslosem Grundeinkommen wäre natürlich auch das Theater frei.) Das Wesen dieser Abhängigkeit bestand stets in der Kontrolle über die Inhalte des Spiels. Diese Zensur wurde dadurch erleichtert, dass die Theater entweder ein Repertoire geschriebener Stücke hatten oder Improvisationen, die aus wiederkehrenden Versatzstücken bestanden. Wer die Kontrolle über diese Texte hatte, hatte auch die Macht über die Köpfe der Zuschauer:innen.

Schauspiel 21 | Die Macht und das Theater
  • 25. November 2022

21 | Die Macht und das Theater

Im Blog der letzten Woche habe ich kurz umrissen, inwiefern Macht in unseren Theaterstücken, also innerhalb der Bühnenhandlungen, häufig Thema ist. Bestes Beispiel Shakespeare – unruhig ruht das Haupt, das eine Krone trägt – , bei dem geht’s eigentlich kaum je um etwas anderes. Und wenn er scheinbar Liebesdramen schrieb, ging’s immer noch darum. Mussten aber Königinnen und Könige sich schon dauernd auf der Bühne dargestellt sehen, sorgten sie zumeist dafür, dass die Theatermacher wenigstens von ihnen abhängig waren, so dass sie, die König:innen, ein bisschen Einfluss auf die künstlerischen Blüten hatten, welche die Komödienmuse unablässig trieb.
Und damit wären wir bei der zweiten Ebene der Macht, die wir hier verhandeln wollen: Der Macht über das Theater.

Schauspiel 20 | Theater und Macht
  • 17. November 2022

20 | Theater und Macht

Weil die letzte Folge schon viel zu lange her ist, möchten wir nun wieder starten und die Reihe „Was machen Dramaturg:innen?“ auf unserem Blog fortsetzen. Jede Woche gibt Andreas Erdmann, leitender Schauspieldramaturg, in seiner Kolumne wieder spannende Einblicke in die Welt des Theaters und die Arbeit eines/einer Dramaturg:in. Die ersten der neuen Folgen widmen sich dem Thema „Theater und Macht“ und beleuchten deren Verhältnis auf und hinter der Bühne.

Schauspiel 16 | Werktreue
  • 27. März 2020

16 | Werktreue

Nachdem wir in den letzten Teilen unseres Blogs viel über die innere Verfassung unserer Stadttheater gehört haben, über den Preis, den die Theaterschaffenden für die Wahl ihres Berufes zahlen, über die Rolle, die die Direktor*innen in diesem System spielen, wäre es heute eigentlich daran gewesen, auf die Kritik einzugehen, die (auch) aus dem Inneren dieses Systems kommt, und die, mitunter aus verschiedenen Richtungen, meistens auf die Machtverteilung und den Machtgebrauch im Theater zielt.

Schauspiel 15 | Aufwand und Autorschaft
  • 3. März 2020

15 | Aufwand und Autorschaft

Ich wuchs also in einem katholischen Umfeld auf. Hin und wieder kam ich dadurch in Berührung mit Angehörigen des Jesuitenordens. Nachher wurde ich dann meistens von Familienmitgliedern auf die Besonderheit des Lebens der Soldaten Christi hingewiesen.

Schauspiel 12 | Proben und Probieren
  • 13. Januar 2020

12 | Proben und Probieren

Es gibt verschiedene Parameter, deren Schwanken man betrachten kann, um jene besonderen Ressourcen zu verstehen, die den Theatern deutscher Sprache in den 70ern und 80ern des vorigen Jahrhunderts zu Gebote standen: Werfen wir doch einmal einen Blick auf die Probenzeiten, die den Produktionsteams jener Tage für einzelne Inszenierungen eingeräumt wurden.

Schauspiel 11 | Die wilden 70er
  • 9. Januar 2020

11 | Die wilden 70er

Die wilden 70er: Unrasierte Nackte stürmen die Theaterbühnen, Stückzertrümmerungen, Publikumsbeschimpfungen, Theater werden leer gespielt, ganze Generationen Abonennt*innen in die Flucht geschlagen, wenn die Intendant*innen nicht das vollständige Abonnementsystem gleich mit der Wurzel ausreißen.

Schauspiel 10 | Regietheater
  • 27. Dezember 2019

10 | Regietheater

Wäre das ein Lehrbuch für Dramaturgie, sollte ich der Systematik halber nun vielleicht auf Fassungen von ganz normalen Stücken eingehen. Also Textfassungen, welche nicht aus Romanen destilliert wurden, sondern aus schon fertig vorliegenden Dramentexten.

Schauspiel 9 | Aristoteles und Stadelmaier
  • 17. Dezember 2019

9 | Aristoteles und Stadelmaier

Hintergründig haben Sie es wahrgenommen: Romanbearbeitungen auf der Bühne sind ein Reizthema. Dabei haben wir gelernt, dass Regisseur*innen durchaus Argumente kennen, sich lieber einen Bestseller der Prosaliteratur vorzuknöpfen als einen Klassiker des Dramenkanons.

Schauspiel 7 | Romanbearbeitungen
  • 2. Dezember 2019

7 | Romanbearbeitungen

Liebe kommt am besten von zwei Seiten. Und so liebten die Theater der vergangenen Jahrzehnte nicht allein, wenn Regisseur*innen berühmte Romantitel verwursteten, die Regisseur*innen taten das, wie es aussah, auch ganz gern.

Schauspiel 5 | Die sogenannte Fassung
  • 18. November 2019

5 | Die sogenannte Fassung

In den letzten Teilen dieses Blogs habe ich versucht herauszuarbeiten, inwiefern Stück-Besetzung und Verhandlungen über die Besetzungen heute einen großen Teil der Arbeit der Theaterleitungen ausmachen, und wie diese Arbeit durch Veränderungen im System der Stadttheater mehr geworden ist.

Schauspiel 4 | Lufthansa
  • 11. November 2019

4 | Lufthansa

Nachdem ich in Teil 3 versuchte zu verdeutlichen, welchen Unterschied für die Besetzungsarbeit der Übergang des Stadttheaters vom Betrieb mit „Hausregisseur*innen“ zum Betrieb mit Gastregisseur*innen macht (und die Besetzungsarbeit macht laut Peter Zadek an der Inszenierungsarbeit 90 Prozent aus), möchte ich heute einen kleinen Exkurs zu diesem Thema machen.

Schauspiel WAS IST EIGENTLICH EIN DRAMATURG?
  • 21. Oktober 2019

WAS IST EIGENTLICH EIN DRAMATURG?

Die Frage, die mir wohl am häufigsten gestellt wird (und die ich normalerweise nicht beantworten kann) lautet: „Was macht eigentlich ein Dramaturg?“ Oder noch profunder: „Was ist eigentlich ein Dramaturg?“ Und diese Frage wird nicht nur mit Unterton (dem Unterton von „Braucht’s die überhaupt?“) gestellt.