Das Motto der Spielzeit 2020/2021 hat durch die Corona-Krise eine unvorhersehbare Aktualität bekommen. Unsere Freiheitsrechte wurden schon lange nicht mehr so oft und so kontrovers diskutiert wie in diesen Tagen. Im Gespräch mit Silvana Steinbacher spricht Intendant Hermann Schneider unter anderem über eine Neudefinition unseres bisherigen Freiheitsbegriffs, die Krise als Brandbeschleuniger des Kapitalismus und den Alltag im Theater als Jonglieren unter stets wechselnden Bedingungen.
Herr Intendant, Sie haben als Motto der kommenden Spielzeit den Begriff der Freiheit gewählt. Ich habe unter Google bei der Stichwortkombination Corona und Freiheit rund 35 Millionen Ergebnisse gefunden. Dieses nun sehr aktuelle Motto haben Sie allerdings schon vor der gegenwärtigen Krise gewählt.
Ja, schon vor fünf Jahren. Doch jetzt hat die Frage der Freiheit eine große neue Aktualität erhalten, weil wir alle den Eindruck haben, es gibt eine Art Freiheit nach den Einschränkungen. Plötzlich hat dieses Wort nicht nur eine philosophische Bedeutung, sondern auch eine praktische. Corona ist zu einer Art Brandbeschleuniger des Kapitalismus geworden, auch nach dem Prinzip des Survival of the Fittest, also wer ist getestet und wer nicht. Auch ich habe zwar die Verordnungen eingehalten, aber ich fand es hochspannend, dass die Leute die Einschränkungen in einem vorauseilenden Gehorsam befolgt haben. Ich habe mich gefragt, wie hätten die Menschen reagiert, wenn die vorangegangene Koalition diese Verordnungen getroffen hätte. Mit der FPÖ wären dieselben Verordnungen zu einem ganz anderen Statement geworden.
Freiheit hat für uns auf jeden Fall ein Gesicht bekommen, denke ich.
Auf jeden Fall hat Freiheit jetzt eine konkrete Bedeutung bekommen. Wir sind jetzt in der Lage zu sagen, welche bürgerlichen Freiheiten wir haben und welche existieren im Handumdrehen nicht mehr. Was ist der Preis für Freiheit? Die Biologie, um es so schnöde zu sagen, ist wichtiger als die Freiheit.