ZEIT LOS 2022/2023

Unter dem Motto ZEIT LOS präsentiert Intendant Hermann Schneider seine siebte Spielzeit am Landestheater Linz.

  • 20. April 2022
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  • Text: Philip Brunnader

Gemeinsam mit Geschäftsführer Thomas Königstorfer, Chefdirigent Markus Poschner, Schauspieldirektor Stephan Suschke, der Künstlerischen Leiterin Tanz Roma Janus, der Künstlerischen Leiterin der Sparte Junges Theater Nele Neitzke und dem Künstlerischen Leiter Musical Matthias Davids werden in der Spielzeit 2022/2023 41 Neuproduktionen gezeigt − darunter sechs Uraufführungen, fünf Österreichische Erstaufführungen, zwei Deutschsprachige Erstaufführungen und eine Europäische Erstaufführung. Hinzu kommen fünf Wiederaufnahmen.

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Spielzeit PK
Foto: Petra Moser

Landeshauptmann Mag. Thomas Stelzer: „Kultur ist das, was unser Land besonders prägt und einzigartig macht. Die Corona-Krise hat den Kunst- und Kulturbereich zuletzt enorm gefordert. Es ist sehr erfreulich, dass dieser zentrale Bereich mit der Rückkehr in Richtung Normalität wieder in all seiner Breite und Besonderheit erlebt werden kann. Vor allem beim oö. Landestheater, das dem Publikum unter dem Motto ZEIT LOS ein einzigartiges und vielfältiges Programm bietet.“

Hermann Schneider, Intendant: „Kultur ist das kollektive Gedächtnis einer Zivilisation lange schon vor dem Internet und deutlich differenzierter, weil Bildung nicht bloß Information bedeutet. Das leuchtet bei Bibliotheken oder auch Museen unmittelbar ein, Theater bedeutet jedoch die Reanimation dieses Gedächtnisses in anschaulicher Vermittlung. Die Pandemie und der Lockdown haben nun zu partiellem Gedächtnisverlust geführt, Kultur als Vermittlung und Identitätsstiftung kam just in Zeiten globaler Krisen nicht mehr in dem Maß vor, wie es gerade dann notwendig wäre und ist. ZEIT LOS bedeutet Erinnerung und Bewusstsein, Schicksal und Wirklichkeit, das ist uns in den zurückliegenden Monaten auf eine Weise bewusst geworden, die wir niemals geahnt haben. Wert und Identität als gesellschaftsbildende Kräfte sind das Mandat der Kultur und damit Sinn und Zweck unserer Theaterarbeit, damit wir wissen, woher wir kommen, um sagen zu können, wohin wir gehen wollen.“

Thomas Königstorfer, Geschäftsführer: „Nach drei Spieljahren mit Lockdowns hoffen wir, dass 2022/2023 endlich wieder eine Saison sein wird, die durchläuft. Dass sich die Eröffnung des Musiktheaters zum zehnten Mal jährt, wird ein besonderer Schwerpunkt in der zweiten Saisonhälfte sein, mit Produktionen wie den „Meistersingern“ oder dem Musical-Konzert „Bäm!“ bis hin zu einer Reihe von Jubiläumsveranstaltungen. ZEIT LOS ist dabei nicht nur das Motto der kommenden Spielzeit, zeitlos ist auch ein Abonnement am Landestheater. Insgesamt sind es mehr als 60 Abonnements, die wir kommende Saison auflegen werden … mit einem völlig neuen Angebot für Kinder und Jugendliche!“

Hermann Schneider
Hermann Schneider, Intendant | Foto: Petra Moser

OPER/OPERETTE

Die Opernsaison startet mit einem spätromantischen Meisterwerk in die Spielzeit 2022/2023: Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt nach Georges Rodenbachs symbolistischem Kultroman Das tote Brügge. Regie führt Andreas Baesler, die Musikalische Leitung übernimmt Chefdirigent Markus Poschner. Jens-Daniel Herzog inszeniert Georg Friedrich Händels Dramma per Musica Rinaldo. Die Produktion, die bereits in Dortmund, Bonn und Zürich für ausverkaufte Theater sorgte, nähert sich der alten Geschichte mit einem fein-ironischen Augenzwinkern, ohne die Aufrichtigkeit der Emotionen, die Händels Figuren umtreiben, an oberflächliche Unterhaltung zu verraten.

Klassiker wie Verdis La forza del destino in der Regie von Peter Konwitschny (Musikalische Leitung: Enrico Calesso) oder Richard Wagners musikalische Komödie Die Meistersinger von Nürnberg (Regie: Paul-Georg Dittrich, Musikalische Leitung: Markus Poschner) stehen ebenso auf dem Spielplan wie die Uraufführung der Oper Benjamin Button (nach der Erzählung Der seltsame Fall des Benjamin Button von F. Scott Fitzgerald) von Reinhard Febel. Für die Inszenierung dieser humorig-eindrücklichen Reflexion über die Phänomene Zeit, Alter, Jugend, Werden und Vergehen zeichnet Intendant Hermann Schneider verantwortlich.

Des Weiteren steht im Großen Saal des Musiktheaters Emmerich Kálmáns Operette Gräfin Mariza auf dem Spielplan. Das Landestheater freut sich, dass sich nach dem großen Erfolg von Franz Lehárs Der Graf von Luxemburg dasselbe Regieteam mit Thomas Enzinger an der Spitze auch Kálmáns Erfolgsstück annehmen wird.

In der BlackBox darf man wieder auf Entdeckungen und weitere Opernschätze gespannt sein: darunter die Österreichische Erstaufführung von Peter Brooks und Marius Constants La Tragédie de Carmen oder Conradin Kreutzers romantische Oper Melusina. Alle ab fünf Jahren dürfen sich auf Wanda Walfisch freuen. Anna Wenzel bearbeitete dieses Bilderbuch von Davide Calì und Sonja Bougaeva mit 15 Musikstücken alter Meister aus der Renaissance zu einer Kinderoper über die Macht der eigenen Gedanken und der Fantasie.

Außerdem gibt es mit der Operette Unterwegs (Arbeitstitel) eine mobile Produktion. Gespielt wird in oberösterreichischen Theatern und Gaststätten. Regisseur Gregor Horres kombiniert in seiner Inszenierung mit Nummer 66 und Die elektromagnetische Gesangsstunde zwei der Offenbachschen Miniatur-Bühnenwerke zu einer skurril-absurden menschlichen Jagd nach dem Glück.

Die Wiederaufnahme von Mozarts Le nozze di Figaro rundet den Opernspielplan ab.

MUSICAL

Mit fünf Premieren und einer Wiederaufnahme wartet die Sparte Musical auf. Das Musicalensemble eröffnet die kommende Spielzeit mit der Österreichischen Erstaufführung von Anastasia (Regie: Matthias Davids). Der erfolgreiche Zeichentrickfilm von 1997 wurde wenig später vom Ragtime-Team Terrence McNally, Stephen Flaherty und Lynn Ahrens für die Bühne adaptiert. Die Autor:innen waren sich einig, dass das Musical auch ein erwachsenes Publikum ansprechen sollte. Die Legende vom Überleben der Zarentochter Anastasia wird historisch schlüssiger erzählt und bietet so die Grundlage für ein echtes Familienmusical. Im Dezember feiert Catch Me If You Can Premiere. Leonardo DiCaprio spielte 2002 in Steven Spielbergs Verfilmung den begnadeten Trickbetrüger Frank W. Abagnale, das Musical kam 2011 an den Broadway. Tempo, Spaß und ein mitreißender Bigband-Sound des Bruckner Orchesters sind garantiert. Wer glaubt, dass erfolgreiche Musicals nicht innovativ sein können, kennt Natascha, Pierre und der große Komet von 1812 nicht! 2017 eroberte Dave Malloys auf Leo Tolstois Krieg und Frieden basierende „Electropop-Oper“ den Broadway im Sturm. In Linz kann man in der kommenden Spielzeit die Europäische Erstaufführung erleben. In der BlackBox steht mit Fun Home eine Deutschsprachige Erstaufführung auf dem Programm. Alison Bechdels Graphic Novel Fun Home – eine Familie von Gezeichneten von 2006 erschloss dem Genre eine neue Welt. Das Musical wurde von Lisa Kron und Jeanine Tesori fünf Jahre lang entwickelt, bevor die Broadway-Produktion 2015 mit fünf Tony Awards (Bestes Musical, Buch, Score, Regie und Hauptdarsteller) ausgezeichnet wurde. Mit der Eröffnung des neuen Linzer Musiktheaters im April 2013 begann auch die Erfolgsgeschichte des Linzer Musicals. Im Jubiläumskonzert Bäm! lässt das Musicalensemble die schönsten Momente noch einmal aufleben, schwelgt gemeinsam in Erinnerungen und Anekdoten und gibt Einblicke, was die Zukunft Spannendes bringen könnte. Und das gemeinsam mit dem Bruckner Orchester, dem Chor des Linzer Landestheaters und Überraschungsgästen.

Des Weiteren darf man sich auf die Wiederaufnahme von Piaf freuen.

TANZ

TANZ LINZ startet die Saison 2022/2023 mit dem Stück Neuzeit. In der Gastchoreografie von Johannes Wieland ist das leitende Narrativ seiner choreografischen Auseinandersetzung die Zeit, die Suche nach einem Ausweg, das kontrollierende Zeitgefüge zu sabotieren. Wielands Choreografien zeigen ein architektonisch geprägtes Verständnis für Körper, Geist, Bewegung und Raum, er erforscht in ihnen die menschliche Psyche. An den Schnittstellen zwischen Video, Ton und Text kreiert er ein abstraktes, bildgewaltiges, metaphernreiches Repertoire, und die Grenzen zwischen den Bereichen Schauspiel und Performance Art werden fließend. Freuen darf man sich auf Andrey Kaydanovskiy Tanzstück Dornröschen. Kaydanovskiy ist ein Erzähler von Geschichten, ohne plakativ narrativ zu sein. Seine Choreografien sind elegant und überraschend humorvoll. Dem erfolgreichsten Handlungsballett von Peter Iljitsch Tschaikowsky, uraufgeführt 1890 in St. Petersburg in der Choreografie von Marius Petipa, verleiht Andrey Kaydanovskiy ein zeitgenössisches Narrativ und lässt es in der Gegenwart ankommen. Unter dem Titel Traumzeit setzt sich die TANZ LINZ Company choreografisch mit dem Thema ZEIT LOS auseinander, indem sie wissenschaftlichen Ansätzen religiöse und mythische Abhandlungen über das Zeitverständnis gegenüberstellt und der Frage nachgeht, auf welche Weise Zeit sonst gemessen werden kann. Dabei ist es immer wieder erstaunlich, wie sich erfahrene und gemessene Zeit unterscheiden, unsere tänzerische Darstellung der Zeit aber als Bühnengeschehen versucht, beiden Phänomenen gerecht zu werden.

Thomas Königstorfer
Thomas Königstorfer, Geschäftsführer | Foto: Petra Moser

SCHAUSPIEL

Das Schauspielhaus und die Kammerspiele an der Promenade werden unter Schauspieldirektor Stephan Suschke wieder ein Ort für Komödie, Drama, Lehrstück und vieles mehr. Eröffnet wird die neue Spielzeit mit Frank Wedekinds Theaterstück Lulu, welches das Geschlechterverhältnis in einem dezidiert ausbeuterischen Zusammenhang befragt (Regie: Fanny Brunner). Es folgen Der Prozess nach dem Roman von Franz Kafka in der Inszenierung von Peter Wittenberg sowie die Österreichische Erstaufführung von Pat To Yans Eine posthumane Geschichte (Regie: NESTROY-Preisträgerin Sara Ostertag). Schauspieldirektor Stephan Suschke inszeniert Max Frischs Lehrstück ohne Lehre Biedermann und die Brandstifter und NESTROY-Preisträgerin Susanne Lietzow inszeniert in der Spielzeit 2022/2023 das Lustspiel Pension Schöller. Weiter geht es mit William Shakespeares Komödie Was ihr wollt, die die spielerisch-komischen Aspekte von Paarungen beleuchtet (Regie: Matthias Rippert) und Ewald Palmetshofers Theaterstück Vor Sonnenaufgang nach Gerhart Hauptmann. Worst Case / Dunkelziffer von Kathrin Röggla (Regie: Katka Schroth), Arthur Schnitzlers Drama Professor Bernhardi, inszeniert von NESTROY-Preisträgerin Stephanie Mohr und Elfriede Jelineks Stück Schnee Weiß (Regie: Katrin Plötner), das in das Dunkel von Missbrauch im scheinbar so unschuldig weißen Wintersport blickt, komplementieren den Spielplan.

Selma Matter und Marie Lucienne Verse sind die Gewinner:innen des Thomas-Bernhard-Stipendiums 2021/2022. Im Dezember 2022 wird das Stück Alice verschwindet, das sie im Rahmen des Stipendiums schrieben, auf der Studiobühne uraufgeführt. Des Weiteren sind auf der Studiobühne die Österreichische Erstaufführung von Teresa Doplers Unsere blauen Augen und die Komödie Café Populaire von Nora Abdel-Maksoud (Produktion mit Studierenden der Anton Bruckner Privatuniversität) zu sehen.

JUNGES THEATER

Das Junge Theater reist durch die Zeit – es startet mit Igor Bauersimas Stück norway. today in die neue Spielzeit, es befragt alte Mythen wie den von der Arche Noah (allerdings aus der Sicht von drei entzückenden Pinguinen in An der Arche um Acht), streift durch märchenhafte Gefilde in dem außergewöhnlich komischen Theaterstreit Ein König zu viel, um schließlich in dem neuen Format Crashing History Mythen und Geschichte(n) nach heute in oberösterreichische Klassenzimmer zu holen. Außerdem gibt es ein Wiedersehen mit alten Bekannten in Rico, Oskar und der Diebstahlstein. Endlich wird auch Die Weiße Rose, ein Stück über eine Zeit, die man sich gegenwärtig halten muss, um sie nicht wiederholen zu müssen, Premiere feiern. Mit Wutschweiger und dem neuen Theatergame auf der Netzbühne live landet das Junge Theater dann endgültig im Hier und Heute, um sich zum Spielzeitende mit all den Erfahrungen zum Spielzeitthema ZEIT LOS mit Hast du Zeit? auf eine Forschungsreise im Zirkus des Wissens zu begeben.

In Kooperation von Landestheater Linz und SCHÄXPIR entsteht die Uraufführung von Jugend spielt … Putsch.

Freuen darf man sich auch auf die Wiederaufnahmen von Zwei Tauben für Aschenputtel, Alice im Wunderland und Tschick.