Was als erbsenzählerische Formalität begann, wurde zu einer Art Ideologie, die sich ebenso in den einzelnen Spartenzuschreibungen von Rundfunk- oder Fernsehsendern fortschrieb wie letztendlich auch in der Programmierung der meisten Veranstaltungsorte von Musik- und Theateraufführungen. Das Linzer Musiktheater darf sich da keinesfalls ausnehmen, wenn man bedenkt, dass hier bislang genauso wenig eine Heavy-Metal-Band aufgetreten ist, wie beim legendären Festival in Wacken niemand auf die Idee gekommen ist, etwa die Vier letzten Lieder von Richard Strauss auf das Programm zu setzen. Warum aber eigentlich nicht? Denn es gibt genug Beispiele, die zeigen, wie sich die Kunstschaffenden selbst danach sehnten, diese letztendlich willkürlichen Grenzen zu überwinden. So gab und gibt es etwa immer wieder Künstler:innen, die man vorrangig aus dem Rock- und Popbereich kennt, die starre Kategorisierungen mit der größten Lust ignorieren.
Die Geburt der Rockoper
Eine Vorreiterrolle spielte hier die Band The Who, die ihre Alben Tommy (1969) und Quadrophenia (1973) nicht als eine Kombination einzelner, voneinander unabhängiger Songs konzipierte, sondern vom ersten bis zum letzten Track eine durchgehende Geschichte erzählte und damit ein Genre etablierte, das diejenigen, die eben gerne in Schubladen denken, gerne mit dem Titel „Rockoper“ bedachten. Zu der Zeit, in der The Who die beiden genannten Alben veröffentlichte, mischten auch in Deutschland zwei Grenzgänger die Musikszene auf: Irmin Schmidt und Holger Czukay waren beide Studenten des Komponisten Karlheinz Stockhausen, einem der wildesten Köpfe der so genannten „Neuen Musik“ (wieder so eine Schublade!). Doch statt auf elitären Festivals für zeitgenössische Kompositionen ihr Dasein zu fristen, gründeten sie die Band Can, die sich keiner bestimmten Stilrichtung zuordnen lassen wollte und damit die nach Freiheit riechende Aufbruchstimmung jener Jahre zu ihrem Programm erhob.