Doch im Frühjahr 2017 tauchte sie erneut auf einer Bühne auf: Die mehrfach für ihr innovatives Programm ausgezeichnete Oper von Lyon ließ Heiner Müllers Auseinandersetzung mit „Tristan und Isolde“ wiedererstehen. Realisiert wurde sie von Müllers damaligem Assistenten Stephan Suschke, der inzwischen die Position des Schauspieldirektors am Linzer Landestheater innehat. Und so war es nur ein logischer Schritt, diese Produktion auch am hiesigen Musiktheater in Kooperation mit der Oper von Lyon zu zeigen. Aber ist das überhaupt legitim? Ist das Reizvolle am Theater nicht, dass es eine vergängliche Kunst ist, die gerade durch ihre Aktualität besticht? Warum sollte man also eine Inszenierung wiedererstehen lassen, die ein Vierteljahrhundert alt ist? Was hat das mit der aktuellen Wirklichkeit zu tun? Sehr viel! – kann man hier antworten.
Denn Heiner Müller hatte sich 1993 mit beeindruckender Konsequenz einer vordergründigen Aktualisierung und Konkretisierung verweigert. Stattdessen präsentierte er in den kubistischen Raumfantasien des Bühnenbildners Erich Wonder ein vierdimensionales abstraktes Gemälde, das jede Zeit mit neuer Bedeutung aufladen kann und soll. Dass diese Rechnung aufgegangen ist, davon zeugen nicht nur zustimmende Kritiken in der Presse, sondern auch der einhellige Beifall des Linzer Publikums, das inzwischen für einige ausverkaufte Vorstellungen dieser Kultaufführung gesorgt hat.