Tanz International – Erinnerung und Gegenwart

TANZ LINZ & Gäste zeigen Reflexionen und Entdeckungen zu zeitgenössischem Tanz.

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Auf der Bühne des Linzer Schauspielhauses rührt der Tanz an den Reservoirs der Vergangenheit und lässt Erinnerung und Gegenwart aufeinandertreffen. Die Soiree erprobt Annäherungen durch die vielschichtige Welt des internationalen Tanzes. Die Linzer Monika Leisch-Kiesl & Joachim Leisch antworten mit ihrer Tango Argentino Performance auf einen knapp 10-minütigen Ausschnitt von Gdzie są niegdysiejsze śniegi / Where Are the Snows of Yesteryear von Tadeusz Kantor in einer Aufnahme von 1984.

Memoryhouse Probe
Memoryhouse Probe | Foto: Philip Brunnader

Tadeusz Kantor (1915–1990), eine der außergewöhnlichsten und wichtigsten Künstlerpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts, wird als der absolute Künstler betrachtet – herausragend, zeitlos und Schöpfer nicht nur von Happenings, Bildern und Theaterstücken, sondern vor allem von Symbolen, die tief in die menschliche Seele eindringen. Wer war dieser Mann, der sein ganzes Leben damit verbrachte, nicht nur die Bühne zu beherrschen, sondern auch seine eigenen Ängste zu erforschen? Ein Mann, der aus seiner eigenen Erinnerung eine universelle Sprache schuf. International bekannt wurde er insbesondere durch das von ihm 1955 begründete und über Jahrzehnte geleitete Cricot 2-Theater, eine in Krakau aktive Keimzelle jungen, avantgardistischen und kritischen Theaters.

Das Stück Die tote Klasse wurde mehr als eintausendfünfhundert Mal in vielen Ländern aufgeführt und 1976 von der US-amerikanischen Newsweek als „die beste Theaterproduktion der Welt“ bezeichnet – eine Geschichte über die Unmöglichkeit, in die Vergangenheit zurückzukehren. Die weltweiten Auftritte von Cricot 2 führten den Künstler in den späten 1970er und 1980er-Jahren auch mehrmals nach Argentinien, wo er mit der dortigen Tangoszene zusammentraf und von wo er eine beachtliche Musiksammlung an Klassikern des Tango Argentino mitbrachte.

Memoryhouse Probe
Memoryhouse Probe | Foto: Philip Brunnader

Monika Leisch-Kiesl & Joachim Leisch wagen in ihrer Annäherung an Gdzie są niegdysiejsze śniegi / Where Are the Snows of Yesteryear ein verblüffendes Experiment. Sie erneuern für einen Moment die originale Tonspur und hinterlegen das Stück mit gezielt ausgesuchten Stücken aus dem unerschöpflichen Reservoir des Tango Argentino. Als würden sich die Darsteller und Darstellerinnen nun zu Tango bewegen, gewinnt das Stück überraschende Nuancen und behält dennoch seine ursprüngliche Faszination. „Wir intendieren damit keineswegs eine Interpretation von Tadeusz Kantors Stück. Einige Generationen nach Kantor geboren und in Österreich aufgewachsen, würden wir uns einen solchen Versuch nicht anmaßen. Das ist auch nicht nötig. Vielmehr suchen wir mit unserer Geste eine behutsame Antwort auf die Strahlkraft, die von Gdzie są niegdysiejsze śniegi auch vierzig Jahre nach seiner polnischen Erstaufführung noch immer ausgeht”, betont das inzwischen international agierende Paar, „und vielleicht können wir ihm damit neue Aspekte erschließen“.

Der Schauspieler Christian Higer ergänzt die Tango-Aufführung, indem er Texte von Tadeusz Kantor liest, die von Hermann Schneider inszeniert wurden. Anschließend präsentieren die Tänzer:innen von TANZ LINZ einen Ausschnitt aus dem Tanzstück Memoryhouse im Original Setting und geben somit einen Vorgeschmack auf die Co-Kreation mit dem polnischen Choreografen Maciej Kuźmiński, die in der vollständigen Aufführung ab 9. Februar im Schauspielhaus zu sehen sein wird.

Maciej Kuźmiński bietet gemeinsam mit dem Dramaturgen Paul Bargetto und der Bühnen- und Kostümbildnerin Gabriela Neubauer einen Einblick hinter die Kulissen des kreativen Prozesses mit TANZ LINZ bei der Tanzproduktion Memoryhouse.

Tanz International | Erinnerung und Gegenwart verspricht eine unvergessliche Soiree, bei der Tanz, Theater und Literatur zu einer kreativen Collage verschmelzen, die die Grenzen der Kunstformen überwindet und die Linzer Tanzszene in all ihrer Vielfalt präsentiert.

Memoryhouse Probe
Memoryhouse Probe | Foto: Philip Brunnader

Am 9. Februar 2024 feiert Memoryhouse Premiere im Schauspielhaus

Memoryhouse ist eine lyrische und ekstatische Reise in das ewige Herz des Mythos, das in einer Atmosphäre von Traum und Erinnerung auf dem menschlichen Körper abgebildet ist. Ein mysteriöser Stamm von Menschen, bedeckt mit Asche, erinnert an Figuren aus der Antike. Darunter Sisyphos, der schlaue Betrüger, der dazu verurteilt ist, einen Felsbrocken einen Berg hinaufzurollen, um dann zu stürzen und wieder von vorne anzufangen, der Satyr, halb Mensch, halb Ziege, Meister der Musik und des dionysischen Eros, und die Moiren, jene drei Frauen, die das Schicksal der Menschheit lenken. Eingerahmt von einer gigantischen Welle, die von japanischen Holzschnitten und den sonnenüberfluteten Skateparks in Kalifornien inspiriert ist, ist es ein kinetisches und zugleich meditatives Werk, das feurigen zeitgenössischen Tanz mit Zen-artiger Installationskunst verbindet. In Maciej Kuźmińskis charakteristischer komplexer und symbolträchtiger Choreografie, untermalt von einem facettenreichen Sounddesign von Hodei Iriarte Kaperotxipi, welches ebenfalls das Gedächtnis der Musikgeschichte aufgreift, erkunden die brillanten Tänzerinnen und Tänzer von TANZ LINZ die äußeren Grenzen ihrer Körperlichkeit und Ausdauer. Inspiriert von den privaten Erinnerungen der Tänzerinnen und Tänzer und dem ewigen „Erinnerungshaus“ der antiken Mythologie, balanciert die Performance auf dem Gipfel des Persönlichen und Metaphorischen, in Sprüngen, die der Schwerkraft trotzen und den Geist inspirieren.

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