Den Regisseur hast du also doch als Autor mitgedacht.
Mason Gut, das geht nicht anders, ich kann ja nicht völlig blauäugig etwas schreiben, das überhaupt nicht realisierbar ist.
Im Fußball gibt es die Binsenweisheit „Der Gefoulte soll nicht den Elfer schießen“, aufs Theater übertragen: „Der Autor soll nicht selbst inszenieren.“ Ist dir der Satz nicht irgendwann in den Sinn gekommen?
Mason Die Weisheit trifft vielleicht eher auf Autoren zu, die Regie führen wollen. Ich bin ein Regisseur, der zum Schreiben gekommen ist. Es ist wie beim Filmemachen. Ob du ein Autorenfilmer bist oder das Drehbuch eines
anderen verfilmst; beides hat Vor- und Nachteile. Ich wäre jedenfalls sehr gespannt, später einmal den Hasen in der Version eines anderen Regisseurs zu sehen.
Thomas, du hast vermutlich mehr Musicals geschrieben als jeder andere deutschsprachige Komponist. Man spricht mit dir über ein x-beliebiges Thema – Märchen,
Kinderkriegen, Computeravatare, Porno-
industrie – und du sagst mit hoher Wahrscheinlichkeit: „Ah, darüber habe ich schon mal was geschrieben.“ Suchst du dir deine Themen oder suchen sie dich?
Zaufke Die suchen meistens mich. Ich habe ja viel mit Peter Lund gemacht, und wir wählen immer Themen, die nicht den üblichen Musical-
klischees entsprechen: Kinderkriegen, Terrorismus, Genmanipulation, aus dem Ruder laufende Elternabende. Potenzial für Musik muss ich sehen, und beim Hasen war mir sofort klar, dass ich das machen muss. Viel Arbeit, aber auch eine Menge Spaß.
Vor acht Monaten haben wir zum Hasen einen Stückentwicklungsworkshop gemacht. Was bedeutet so ein Workshop für euch als Autoren?
Mason Für Hase war der Workshop wahnsinnig wichtig. Wir hatten eine intensive Woche mit dem Ensemble. Am Ende stand eine konzertante Aufführung vor geladenem Expertenpublikum. Das Feedback dieser Leute war für die Weiterarbeit unheimlich wichtig. Es kommt natürlich vor, dass jemand sagt: „Diese Szene müsst ihr auf jeden Fall herausnehmen“. Ein anderer ist von der gleichen Szene total begeistert. Entscheiden muss man immer noch selbst, da hilft nichts.
Zaufke Und dann gibt es Leute, die sagen: „Macht es doch genauso, wie es heute Abend war, ich brauche gar keine Inszenierung …“
Mason (lacht) Stimmt … Jedenfalls haben wir über den Sommer noch einmal viel geändert. Kleine Dinge, aber auch ganze Szenen und Songs. Ich bin überzeugt, dass das Stück durch diesen Prozess viel besser geworden ist. Es gibt ja diesen wunderbaren Satz, den unter anderem Stephen Sondheim gesagt hat: „Musicals are not written, but rewritten.“
Warum tun sich Musicalautoren leichter als Autoren anderer Genres, sich vor der Uraufführung der Kritik zu stellen und daraufhin Änderungen vorzunehmen?
Zaufke Wir tun uns gar nicht leicht, wir sind nur bessere Schauspieler! (lacht)
Mason Das hat mit den kommerziellen Wurzeln des Musicals zu tun. Am Broadway will man das bestmögliche Produkt auf den Markt bringen. Ein Musical wird getestet, wie ein Produkt. Außerdem liegt es im Wesen des
Musicals, ein kollaboratives Medium zu sein.
Zaufke Genau. Der Aspekt der Teamarbeit steht viel stärker im Vordergrund als bei anderen Genres. Ganz ehrlich: Es tut schon manchmal weh. Es ist ja nicht so, dass man sich untereinander immer gut versteht. Ist schon interessant, wenn der Choreograf im Workshop sagt: „Wofür habt ihr denn die lange
Tanznummer eingebaut? Die fand ich langweilig.“ Dabei hatten wir gedacht: „Die haben wir doch geschrieben, damit du was Schönes zum Choreografieren hast.“
Henry, du stehst seit Längerem in Kontakt mit Edmund de Waal. Wie steht er zu der Musikalisierung seiner Geschichte?
Mason Thomas und ich haben am Anfang nicht geglaubt, dass wir die Rechte für die Geschichte bekommen würden. Das Buch war in so vielen Ländern ein Bestseller. Als dann vom Verlag das Okay kam, waren wir sehr glücklich. Ich dachte, ich muss de Waal einfach auf Stand halten, was wir hier machen. Nach einem sehr persönlichen E-Mail-Wechsel durften wir ihn im November kennenlernen, als er die Sammlung seiner netsuke dem Wiener Jüdischen Museum als Dauerleihgabe überreicht hat. Es war ein besonderes Erlebnis, ihn über seine Familie sprechen zu hören und eines der netsuke in die Hand zu nehmen. De Waal war immer sehr offen und neugierig auf das, was wir machen. Ich habe mir beim Schreiben vorgestellt, er wäre mein Publikum. Ich wollte mich nicht schämen müssen, wenn er im Theater sitzt und das Stück sieht. Ich will – zumindest, was den emotionalen Kern betrifft – wahrhaftig sein. Wir haben ja eine Verantwortung ihm und der Geschichte gegenüber.