Herr Poschner, es wurde von vielen Kunst- und Kulturschaffenden beklagt, dass der Kunst- und Kulturbereich seitens der Politik eher stiefmütterlich behandelt wird. Was denken Sie darüber?
Mittlerweile gibt es ja schon beinah realsatirische Umstände. Wir müssen uns nur vor Augen führen, dass unsere Arbeit unter Freizeitkultur gehandelt wurde. Aber wenn diese Pandemie für eines, was jetzt absurd klingt, gut war, dann dafür, dass wir unser eigenes Tun verstärkt hinterfragen. Wir müssen zeigen, dass das Theater tatsächlich für das Zusammensein, das Seelenheil enorm wichtig ist. Ob mit oder ohne Virus, das ist unser tägliches Brot.
Herr Schneider, ein Begriff, der sich im vergangenen Jahr als ein prägender etabliert hat, ist Systemrelevanz. Im Sinne des bestehenden Spielzeitmottos Freiheit stellt sich auch die Frage, wie systemrelevant ist die Kultur?
Ich sträube mich ein bisschen gegen diesen Begriff, weil er impliziert, dass die Kunst systemrelevant sein sollte. Es würde bedeuten, dass wir Teil des Systems sind, so eine Art Hofnarren, um dem System zu dienen. Es geht aber vielmehr darum, dass wir grundlegend relevant und Teil der menschlichen Identität sind. Gestört hat mich die verkennende Wahrnehmung durch die Politik, doch ich denke, dass das aus Unbeholfenheit und Populismus formuliert wurde.
Was hat Ihnen während der Lockdowns beruflich gesehen am meisten Sorgen bereitet?
Schneider: Die Hauptsorge, die ich habe, ist die, dass wir über den Zeitraum nicht hinwegschauen können, nicht wissen, wie lange wir mit der Pandemie zu leben haben. Ich denke, wir werden das Virus nicht mehr völlig los, und die Risikominimierung wird immer unwahrscheinlicher, das ist meine Sorge. Das hat Auswirkungen auf uns als Gesellschaft, natürlich auch auf das Theater. Das Theater ist ein Nukleus, ein Kraftwerk in einer Gesellschaft. Die Vorstellung, dass die Gesellschaft ein Bezugssystem, ein Zentrum verliert, erfüllt mich mit Sorge.