„Das Theater ist für mich Heimat“

Eva-Maria Aichner im Interview mit Intendant Hermann Schneider anlässlich ihres 50-jährigen Bühnenjubiläums.

SchauspielensembleInterview

Die Schauspielerin Eva-Maria Aichner verzaubert seit nunmehr 50 Jahren das Linzer Publikum als Mitglied des Schauspiel-Ensembles. Anlässlich ihres Bühnenjubiläums traf sich Intendant Hermann Schneider mit ihr im Schauspielhaus zu einem Gespräch über ihre Verbundenheit mit der Stadt Linz, das Faszinosum Sprache und was unser kommendes Spielzeitmotto Herkunft in der Kunst und für sie ganz persönlich bedeutet.

Liebe Evi, versuchen wir Herkunft zunächst klassisch biografisch und geografisch zu verorten. Wo kommst du her?

Ich komme aus Linz. Mein Vater aus Osttirol, aus Zwickledt nahe Passau die Mutter. Man kann sagen, malerisch liegt meine Herkunft zwischen Albin Egger-Lienz und Alfred Kubin, den meine Mutter noch persönlich gekannt hat. Sie hat in Passau die Schule besucht und dort gearbeitet. Meine Eltern haben sich in Linz gefunden und als ich mich plötzlich ankündigte, haben sie gesagt: Jetzt bauen wir hier ein Zuhause. Und dieses Zuhause ist in Pasching. Meine Eltern haben das Haus und den Garten für mich angelegt und ich schaue, dass alles in Ordnung bleibt.

Und das tust du immer noch?

Das hört nie auf. Eine ewige Baustelle. Auf dieser Baustelle bin ich aufgewachsen, sie war mein Kindergarten. Ich hatte schon mit vier Jahren den Wunsch, Innenarchitektin zu werden. Und das habe ich dann auch studiert: Ich bin gleich nach dem Gymnasium an die Kunsthochschule gegangen, in die Meisterklasse Innenarchitektur. Wir hatten einen Professor, der war hier am Theater Bühnenbildner, Heinz Bruno Gallée. Ich kannte unser Landestheater nur vom Stehplatz aus. Unser Professor zeigte uns sein Bühnenbild im Schauspielhaus und nahm uns backstage mit. Da war‘s um mich geschehen. Als es hieß, im Studium müsse man für Präsentationen gut sprechen können, dachte ich, in der Schauspielschule könne man das lernen. Das ging aber nur mit Schauspielstudium und Diplomabschluss. Und da dachte ich, na ja, machst halt mal die Aufnahmeprüfung, wird eh nichts draus. Und so kam es.

Also ist deine Herkunft einerseits eine große Konstante in deinem Leben, andererseits definierst du sie aber als einen permanent transformativen Prozess, als Baustelle.

Ja, es ist wirklich eine Baustelle und das empfinde ich als inspirierend. Aber ich bin sehr gerne Österreicherin, ich bin auch sehr gerne Oberösterreicherin. Und auch das Theater ist für mich Heimat. Theater geht wie auf der Baustelle nur im Miteinander. Das Ensemble ist das Entscheidende. Und ich bin ein Teil davon.

Eva-Maria Aichner Interview mit Hermann Schneider
Eva-Maria Aichner und Hermann Schneider | Foto: Herwig Prammer

Und das seit vielen Jahren. Wenn du zurückschaust, wir reden immerhin über ein halbes Jahrhundert, wie würdest du die Veränderungen im Ensemble beschreiben? Auch eine ewige Baustelle, ein Kommen und Gehen.

Dieses „Hallo und Adieu“ hat mich schon immer beschäftigt. Ich bin ein Mensch, der gerne bleibt, Beziehungen aufbaut. Die Beziehungen, die trotz des Adieus bleiben, führt man als Juwel weiter. Aber das Kommen und Gehen war mir von vornherein bewusst. Es war klar, wenn der nächste Intendant mich nicht übernimmt, gehe ich zurück und mache mein Innenarchitekturstudium fertig. Meine Eltern waren schon sehr alt und ich bin ein Einzelkind. Ich hätte es nicht übers Herz gebracht, sie zu verlassen. Ich habe nie damit gerechnet, dass ich so lange am Theater bleiben kann. Aber es beglückt mich heute noch, dass es so ist. Theater war und ist für mich Berufung. Die Auseinandersetzung mit Menschen und Leben, mit Herkunft, Zeit und Räumen – mit Gestern, Heute und Morgen – dieses Miteinander oder auch Gegeneinander. Ich könnt nichts anderes machen.

Aber Innenarchitektin hättest du als Alternative gesehen? Wo die Innenarchitektin doch nicht im Ensemble arbeitet, künstlerische Entscheidungen allein verantwortet.

Ich habe 1975 mit Gerhard Brössner das Junge Theater aufgebaut. Da war ich sehr wohl allein als Repräsentantin des Theaters in Schulen in ganz Oberösterreich unterwegs. Am Akademischen Gymnasium Spittelwiese hab ich Inszenierungen mit den Maturaklassen gemacht. In diese Zeit fällt auch mein langjähriger Vertrag im Landesmusikschulwerk für Sprechtraining, szenisches Spiel und Vortragsgestaltung.

Was genau unterrichtest Du?

Hier an unserem Theater probe ich mit den Mitgliedern des Opernstudios und anderen Kolleg:innen Aussprache und Textgestaltung für Szenen aktueller Stücke. Außerdem, außerhalb des Theaterkontextes, unterrichte ich zum Beispiel die richtige Artikulation, wann spricht man Hochdeutsch, wann Dialekt. Wir trainieren, nicht ständig in den Dialekt zu fallen. Das ist schwer genug für Menschen, die das Gefühl haben, sie sind nur dann authentisch, wenn sie ihren Dialekt sprechen. Ich hatte Glück: Meine Mutter hat ein bisschen Bayerisch gesprochen, mein Vater Osttirolerisch. Das zusammen hätte für ein Kind eine lustige Sprache ergeben. So kam das Hochdeutsche von Anfang an in mein Leben.

Eva-Maria Aichner
Eva-Maria Aichner | Foto: Herwig Prammer

Zur Sprache in der Literatur – auch sie hat eine Herkunft.

Natürlich. Für mich ist die Sprache das Wichtigste. In ihr finde ich den Autor. Eine Schauspielerin muss ja ständig zwischen den Zeilen lesen und ich erkenne über das, was ich sage, was sich dahinter verbirgt, und finde meine persönliche Interpretation. Was hat den Autor in seiner Zeit besonders beschäftigt? Was waren seine Wünsche und Sehnsüchte? Und im Jetzt und Heute überprüfen wir das. Die Beziehung, die zwischen dem Autor und uns heute entsteht.

Theater als eine Zeitmaschine, mit der wir in die Literatur vergangener Epochen zurückreisen und uns fragen, ob es Parallelen gibt.

Ja. Das ist auch eine Entwicklung, das Miteinander, das Wachsen. Manchmal ist es auch Trost und Hoffnung.

Die Baustelle wird nie fertig.

Gott sei Dank.

Wir sind hier an der Promenade fertig mit der Sanierung und fangen direkt wieder an. Das ist Leben, ständige Veränderung. Und trotzdem gibt es einen Moment von Zeitlosigkeit. Da wird etwas autonom in dem Werk, was sich von der Herkunft ablöst, zeitlos ist.

Zeit Los – unser aktuelles Spielzeitmotto. Autoren wie Goethe, Schiller, Kleist und Shakespeare, die sind zeitlos. Die hatten in ihrer Zeit ihre Berechtigung und wir spielen sie noch heute. Diese Zeitlosigkeit ist ein fantastisches Phänomen. Aber wir stehen trotzdem in unserer Zeit mit unseren Fragen. Wo ist die Bewahrung einer Situation und wo ist durch Modernismen ein Zerstörungsakt entstanden? Ich bin immer sehr skeptisch gehypten Phänomenen gegenüber. Nach dem Hype kommt meist eine Leere. Das hat sich dann nicht bewährt. Darum sind diese großen Themen, die großen Autoren so toll. Sie gehen weiter. Die anderen sind Mode und verschwinden wieder – nichts dagegen zu sagen. Sie sind dann mal wieder weg.

Du hast so viele Werke ein halbes Jahrhundert lang auf der Bühne kommen und gehen sehen. Da ist es dann doch auch schön, dass sich die Dinge irgendwann von selbst sortieren.  Ich danke dir sehr für das Gespräch.

Ich danke dir.

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