Wer ist hier eigentlich wer?

Puck – Schulhausmeister und Trickster mit Elfenmagie. Halb um Ordnung, wahre Gefühle und gutes Schauspiel besorgt, halb erfreut über Wahnsinn, Illusion und Gefühlschaos. Er hat sie alle in der Hand – die Jugendlichen, die Musik und die Schule, die er in einen Zauberwald verwandeln kann. Und vielleicht verzaubert er euch ja auch!

Hermia – Das beliebte Mädchen. Sie zelebriert ihre Beziehung zu Lysander, packt aber auch an, wenn eine Aufgabe – und sei es eine Sonderaufgabe – erledigt werden muss. Mit Helena ist sie befreundet. Demetrius kennt sie schon lange und ist von seinen Avancen nicht begeistert.

Lysander – Der Sportler. Er mag Herausforderungen. Eigentlich ist er treu, das heißt aber nicht, dass er nicht auch mal mit Titania flirtet. Er und Helena kennen sich auch schon lange. Demetrius‘ penetrante Verliebtheit in Hermia nervt ihn gewaltig. So gewaltig, dass die beiden sich schon geprügelt haben.

Helena – Die Schüchterne. Sie kennt sich aus mit Liebeskummer. Nachdem Demetrius ursprünglich mit ihr geflirtet hat, hat er sich nun in ihre Freundin Hermia verliebt und will von Helena nichts mehr wissen. Das macht sie skeptisch gegenüber jeder Liebesbeteuerung.

Demetrius – Der Vorzeigeschüler. Unglücklich in Hermia verliebt, gibt er nicht auf, sich vor Hermia beweisen zu wollen. Auch wenn er sich mit Lysander deswegen prügelt und sein Knie verletzt, und ihm die gleiche Anhänglichkeit von Helena ihm gegenüber lästig ist.

Titania – Das Anime-Girl. Austauschschülerin aus Italien, eine Queen auf TikTok. Ist zwar wie Oberon neu an der Schule, hat mit ihm aber sonst nichts gemein. Sie findet Lysander fotogen, aber diese furchtbare deutsche Sprache…

Oberon – Der Bad Boy. Amerikanischer Austauschschüler und eigentlich zu cool für den Rest. Gräbt trotzdem jede einmal an. Ob ihn die Liebe dabei tatsächlich noch mal mit voller Breitseite erwischen wird?

Die Teachblossoms – Aus dem Lehrerzimmer ist immer wieder Musik zu hören. Oder sind das doch Elfen, die in einem Baum musizieren? Was hat Puck da nur angestellt?

What is Love?

Was die Liebe ist? Schwierig. Sicher ist: Es gibt Liebe – die kindliche, die elterliche, die geschwisterliche, die freundschaftliche, die platonische, die selbstbezogene und die selbstlose, die Liebe zur Musik und zum Theater und natürlich die romantische, die heterosexuelle, die homosexuelle und auch die pansexuelle Liebe (bei letzterer ist das Geschlecht des Menschen, den man liebt, völlig egal). Wahrscheinlich gibt es noch viele weitere Varianten von Liebe. Aber die, die uns oft die letzte Gehirnzelle vernebelt, verzweifeln lässt und über die seit Jahrhunderten mal großartige und mal kitschige Lieder geschrieben werden, ist nun eben die romantische. Oder die sexuelle. So genau lässt sich das nicht immer unterscheiden.

Liebe ist Anziehung, Wertschätzung, Zuneigung, oft auch Leidenschaft. Sie sorgt im besten Fall dafür, dass wir Beziehungen untereinander eingehen, miteinander leben wollen, füreinander da sind, kooperieren. Eigentlich sehr praktisch. Aber warum verlieben wir uns in einen bestimmten anderen Menschen? Sind es die Sterne, die Hormone, die Psychologie? Ist es wirklich dieser eine individuelle Mensch mit allen Vorlieben, Manierismen, Kleidungsstilen, Gerüchen, mit dieser Stimme und diesen Gedanken, den wir lieben? Oder ist es unsere Vorstellung dieses Menschen? Oder sind wir einfach in diesen Menschen verliebt, weil alle in ihn verliebt sind?

Und wie sieht uns diese Person? Fühlen wir uns würdig, geliebt zu werden? Lieben wir uns eigentlich selbst? Und wie agieren wir? Sagen wir es der erwählten Person einfach, versuchen wir, sie zu beeindrucken oder halten wir uns zurück und hoffen, dass sie uns irgendwann bemerkt oder wir zufällig gemeinsam auf einer einsamen Insel stranden?

Wenn die erste Liebe erwidert wird und hält, bis der Tod einander scheidet, dann ist das das Einhorn unter allen möglichen Liebesbiografien. In der Regel hält Liebe erstmal Enttäuschungen für uns bereit. Entweder liebt der erwählte Mensch einen nicht oder man stellt fest, dass die andere Person gar nicht so umwerfend ist, wie man dachte. Oder man verliebt sich plötzlich in jemand anderen. Ups. Muss man sich nun für die eine Liebe und gegen die andere entscheiden, oder liebt man nun eben zwei Personen gleich? Und wie gehen wir mit Zurückweisung um? Klammern wir, stellen wir Ansprüche, verfallen wir in Selbstzweifel und Trauer oder zucken wir mit der Achsel und machen weiter mit unserem Leben?

Es gibt viele Arten von Liebe, auch toxische, zerstörerische und … lächerliche. In First Love – Ein Sommernachtstraum könnt ihr einige Formen beobachten. In diesem speziellen Fall war es oft weder die Psychologie noch die Chemie, sondern Magie, die den Liebeswahn entfacht, aber auch ohne Puck ist die Situation schon verworren genug.

Apropos verworren. Dieser Text enthält sehr viele Fragezeichen. Ein Wiki How wie man sich am besten verliebt, ist das hier nicht. Gibt’s aber. Könnte man googlen. Die Liebe wird viele von uns ein paar Mal ziemlich in die Irre führen, vielleicht hat sie das auch schon. Auf jeden Fall ist das auch eine wichtige Erfahrung. Vielleicht finden wir so raus, was sie eigentlich ist. Jedenfalls können wir so bei all den Liebesliedern inbrünstig mitsingen.

Die Originale

William Shakespeare schrieb wahrscheinlich irgendwann um 1595 A Midsummer Night’s Dream für seine Theatercompany in London. In seinem Stück wollen zwei junge Liebende aus Athen, Lysander und Hermia, heiraten. Allerdings will auch Demetrius Hermia heiraten und er ist der bevorzugte Schwiegersohn von Hermias Vater – zu der Zeit noch ein relevantes Problem. Dabei hat er vorher erfolgreich um die gemeinsame Freundin Helena geworben, die nun vor Liebeskummer nicht mehr ganz klar denken kann. Drum erzählt sie Demetrius, dass Hermia und Lysander nachts durchbrennen wollen – und so landen sie alle gemeinsam im Wald. Dort befindet sich auch eine Handwerkertruppe, die ein Theaterstück proben will. Und außerdem Titania und Oberon, das Herrscherpaar über die Elfen, die gerade einen ziemlichen Ehekrach haben und sich um ein Adoptivkind streiten. Oberon bittet daher seinen Diener Puck, eine Blume zu besorgen, deren Saft ein wirksamer Liebeszauber ist. Eigentlich will er nur Titania verzaubern und ablenken. Doch dann sieht er die jungen Athener Liebenden und will Helena zu Demetrius verhelfen. Nur verwechselt Puck ihn mit Lysander, und das Chaos nimmt seinen Lauf, als dieser zuerst Helena erblickt. Dann verzaubert Puck auch noch Demetrius. Einem der Schauspieler setzt er einen Eselskopf auf und lässt Titania in Liebe zu ihm verfallen. Oberon ruft Puck schließlich zur Ordnung, außerdem sticht ihn eventuell die Eifersucht bei Titanias neuem Liebhaber. So wachen alle am frühen Morgen auf, Titania und Oberon versöhnen sich, der Esel ist wieder Handwerker/Laiendarsteller, Lysander und Hermia sind wieder ein Paar und Demetrius bleibt tatsächlich in Helena verliebt, worüber diese sehr glücklich ist. Schließlich gibt es jede Menge Hochzeiten – mit dem Stück der Handwerker, „Pyramus und Thisbe“, als Unterhaltungsprogramm.

Das Stück blieb nicht in London und es blieb auch nicht immer in der Form. 1692 vertonte Henry Purcell es zu seiner Oper The Fairy Queen. Henry Purcell war zu seiner Zeit – also so im 17. Jahrhundert – ein musikalischer Tausendsassa. Vielleicht ein bisschen das, was Ed Sheeran heute ist. Nur ohne Gitarre, Taylor Swift und Game of Thrones-Auftritt. Allein die Anzahl an Vokal- und Instrumentalmusik, zusammen mit den vielen musiktheatralen Werken, ist für einen Menschen, der gerade mal 36 wurde, fast unvorstellbar. Ebenso wie eine Vielzahl an Berufen, die er ausgeübt hat. Purcell war nicht nur Komponist, sondern im Laufe seines Lebens auch Organist (an der weltbekannten Westminster Abbey), Geigenspieler, Harfenist und Instrumentenwart. Jedenfalls hat er vor allem mit seinen Bühnenwerken bei den Engländer:innen damals für viel Furore gesorgt. Und auch heute noch ist seine Musik immer wieder erstaunlich aktuell, wie wir ja bei First Love – Ein Sommernachtstraum sehen können.

In Deutschland wurde A Midsummer Night‘s Dream vielmals übersetzt. Die Version Ein Sommernachtstraum von Ludwig Tieck und August Wilhelm Schlegel, zwei Schriftsteller der deutschen Romantik, wurde 1843 uraufgeführt. Die beiden hatten es sich zur Aufgabe gemacht, das ganze Werk Shakespeares zu übersetzen. Dabei haben sie es natürlich auch ihrem Zeitgeschmack angepasst.

So seht ihr nun im Jahr 2024 das Stück bei uns in einer neuen Variante. Shakespeare, Schlegel-Tieck und Purcell haben alle in der Fassung von Nele Neitzke und Martin Philipp ihre Spuren hinterlassen, aber die beiden haben auch den Athener Wald in eine Schule verlegt und die Liebesränke auf sechs jugendliche Figuren aufgeteilt. Oberon und Titania sind Austauschschüler:innen und keine Herrscher:innen mit übernatürlichem Gefolge, auch wenn der Name einer von Titanias Feen, Peaseblossom (Erbsenblüte), noch in den Teachblossoms anklingt. Puck ist niemandes Diener, außer vielleicht seiner eigenen Laune. Der Wald ersteht durch Magie, es gibt Tigergelsen und TikTok. Aber die Liebe ist so wechselhaft, schmerzhaft und schön wie eh und je.