Wie gehst du mit der emotionalen Herausforderung um, die die Rolle Karl Löwenherz mit sich bringt?
Es ist ehrlicherweise eine schöne spielerische Aufgabe auch mal in große Angst oder in ein extremes Leiden zu gehen, bei allem, was dem kleinen Karl da widerfährt. Und
dennoch gibt es auch viel Potenzial für Humor in den Szenen, da gilt es dann herauszufinden, wie viel verträgt zum Beispiel so eine Szene mit Kader und Veder, in der sie Karl die ganze Zeit herumreißen und eigentlich gar nicht gut behandeln. Das ist schon eine schöne, aber auch große Herausforderung.
Was bedeutet dir die Rolle persönlich?
Das geht tatsächlich so in zwei Richtungen: Zum einen bin ich selbst großer Bruder. Ich habe viel Empathie für Jonathan und die Aufgabe, die ihm da zufällt und der er irgendwie Herr werden muss. Gleichzeitig habe ich vor Probenbeginn das Buch gelesen, wo ja alles, was der kleine Karl fühlt, auf gut 200 Seiten beschrieben ist, und man ihm so noch mal viel näherkommt. Ich war überrascht, was der Junge alles durchmachen muss und irgendwann habe ich gedacht: „Okay, ich nehme dich jetzt zu mir und passe auf dich auf. Gemeinsam gehen wir durch diese Geschichte, dieses Stück und am Ende nach Nangilima.“
Wie würdest du die Beziehung zwischen Karl und Jonathan beschrieben? Gibt es etwas, wo du dich selbst wiederfindest?
Ja, auf jeden Fall! Ich glaube, je nachdem wie groß auch der Altersunterschied ist, haben die älteren Geschwister immer einen kleinen Vorsprung was die Lebenserfahrung betrifft. Der Balanceakt ist, und das zeigt Jonathan wunderbar in der Geschichte, das Geschwisterkind zu beschützen und gleichzeitig auch nicht zu sehr zu schonen. In dem Fall der beiden Brüder ist es Fakt, dass Karl sterben wird, daran gibt es nichts zu ändern. Jonathan findet einen Umgang damit, der die Lebensfreude nicht einbüßt und Fantasie und Realität in Einklang bringt, sodass man die Hoffnung nicht verliert. Und das ist eine Fähigkeit, die ich an Jonathan sehr bewundere und von der ich hoffe, dass ich sie auch bis zu einem gewissen Grad an meine jüngere Schwester weitergeben kann.
Du hast gerade das Thema Hoffnung angesprochen. Was wünschst du dir, was die Besucher:innen aus dieser Inszenierung mitnehmen?
Es wäre cool, wenn man aus diesem Stück mitnimmt, dass es total okay ist, Angst zu haben. Sie erfüllt eine wichtige Funktion, zum Beispiel, dass man sich nicht unnötig in Gefahr begibt. Gleichzeitig muss man aufpassen, dass man sich nicht von der Angst völlig vereinnahmen lässt. Jonathan hat diesen einen Satz in dem Stück „Man muss der Angst in die Augen schauen, sonst kriecht sie in einen hinein und man kann die Welt nur noch durch ihre Augen sehen.“ Ab und zu muss man sich der Angst stellen. Gerade in den heutigen Zeiten muss den Tengil-Männern dieser Welt etwas entgegengestellt werden.
Was ist für dich das absolute Highlight dieser Inszenierung?
Wir erzählen eine Geschichte, die sehr viele Aspekte hat – über wahnsinnig berührend, traurig, dramatisch, unfassbar actionreich bis hin zu komödiantisch.
Die geniale Bühne, die Carla Nele Friedrich uns da gezaubert hat, ist ein absolutes Highlight.
Sie hat so viele verschiedene Ebenen, die wir bespielen können und hey – es gibt eine eigene Kletterwand! In der ganzen Inszenierung gibt es unglaublich viele kleine Details, in denen man die eigenen Kindheitsträume ausleben und erleben darf, das macht wirklich großen Spaß.
Kannst du kurz den Probenprozess beschreiben?
Jakob (der Jonathan spielt), unser Regisseur Jens Kerbel und ich haben uns zu Beginn getroffen und sind einmal grob durch das Stück gegangen. Wir haben uns
ausgetauscht und geschaut, was wir mit unseren jeweiligen Figuren erzählen wollen und was Jens gerne sehen möchte. Danach sind wir, in unserem Falle in einem sehr rasanten Tempo, durch das Stück gegangen und haben alle Szenen einmal durchgestellt. In den Endproben haben wir dann an Feinheiten gearbeitet, zum Beispiel am Timing in den Szenen, reibungslosen Übergängen, oder an der Abstimmung mit der Licht- und Tonabteilung.