„Le Prophète ist ein Meisterwerk“

PremierenfieberLeProphète

Markus Poschner, Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz, über Giacomo Meyerbeers packende Oper

Meyerbeers „Le Prophète“ gehört zu den temperamentvollsten und beeindruckendsten Partituren, die mir überhaupt je untergekommen sind. Ich gebe gerne zu, dass auch meine Neugierde bisher immer von anderen Großwerken und Herausforderungen des Repertoires ausgebremst und überlagert wurde. Es war mir schon klar, dass da eventuell eine völlig verborgene musikalische Welt auf mich warten würde, nur, diese zu betreten, ergab sich eben nicht von alleine. Umso dankbarer war ich unserem Intendanten Hermann Schneider, der mir schon vor Jahren den Tipp gab, diesen „Le Prophète“ einmal in die Hand zu nehmen und durchzublättern.

Allein schon die Lektüre der Partitur überraschte mich sofort: ein unglaublich dichtes Geflecht an Farben, Stimmungen, gepaart mit Orchester-Virtuosität und Stimmakrobatik. Keine Sekunde der Langeweile, ständig und überall lauern überraschende Momente und Effekte, zarte Klangflächen und fantastische Melodien. Dabei erschien einem alles auf den ersten Blick gar nicht so unbekannt: Dramatik wie bei Verdi, Intensität wie bei Wagner und Stimmbehandlung wie bei Puccini, gepaart mit der düsteren und geheimnisvollen Atmosphäre eines „Freischütz“ oder „Holländer“. Nur mit dem Unterschied: Meyerbeer war ja sozusagen der Erfinder dieses musikalischen Kosmos, er war der Erste, der ein Orchester so erklingen lassen konnte, wie nach ihm eben nur die bekanntesten und berühmtesten Opernkomponisten.

Jeffrey Hartman, Matthäus Schmidlechner, Adam Kim, Chor | Foto: Barbara Pálffy

Meyerbeer, der Solitär also? Kein Wunder, dass Richard Wagner am Anfang seiner Karriere blass vor Bewunderung zum Meister Meyerbeer regelrecht aufblickte. Der Rest der unrühmlichen Geschichte dieser Beziehung ist bekannt und schnell erzählt: Von Neid und Antisemitismus zerfressen, ließ Wagner später kein gutes Haar mehr an seinem Lehr-meister und Konkurrenten um die besten Aufträge.

„Le Prophète“ ist ein Meisterwerk, daran besteht überhaupt kein Zweifel, das aufgrund vieler ungerechter Widrigkeiten der Geschichte über die Jahrhunderte hinweg an den Rand des Repertoires gedrückt wurde und dort nahezu unerhört auf seine Entdeckung wartete.

Meyerbeers Siegeszug zur Mitte des 19. Jahrhunderts war ja nur ein kurzer gewesen. Er, der in Berlin aufwuchs und mit Carl Maria von Weber zusammen studierte, stieß das Tor zur musikalischen Neuzeit ganz weit auf und erfand sozusagen wie nebenbei die große französische Operntradition. Ohne seine Impulse wäre wohl die restliche Operngeschichte gar nicht vorstellbar. „Kommt das Genie und wirft uns in andere Bahnen – der Prophet der neu-en Welt!“ Genau diese Worte notiert Wagner, nachdem er „Le Prophète“ in Paris erlebt hatte. Besser kann man dieses im besten Sinne europäische Phänomen Meyerbeer wohl nicht beschreiben. Ich wünsche Ihnen unvergessliche Stunden und viel Freude mit diesem großartigen Opernwerk bei uns im Musiktheater!

Ihr Markus Poschner

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